Horst Mohr hat sich als Heimatkundler intensiv mit den Gräueltaten und den Opfern der Nationalsozialisten im fränkischen Raum und nicht zuletzt im Kreis Kronach befasst. Hier stellt er die Ergebnisse einer Spurensuche im Fall eines vermutlichen Nazi-Opfers aus dem Kreis Kronach dar.
Ende Januar jährt es sich zum 80. Mal, dass ein inzwischen wohl in Vergessenheit geratener Gegner des NS-Regimes aus einem größeren Ort im Landkreis Kronach in einem KZ vermutlich ermordet wurde. Auf einen Hinweis aus der Heimat begann Horst Mohr, dessen Schicksal zu recherchieren. Seine Ausführungen dazu beruhen zumeist auf Hinweisen aus Dokumenten des Bundesarchivs, der Gedenkstätten Dachau und Sachsenhausen sowie des Internationalen Zentrums über NS-Opfer (ITS) in Bad Arolsen.
Demnach war der daheim als Gegner der NS-Regierung bekannte B. M. in der Kronacher Außenstelle der Firma Peterhänsel - diese befand sich etwa auf dem heutigen Schützenfestgelände - mit der Kontrolle und Reparatur dort hergestellter Fallschirme für den Kriegseinsatz beschäftigt, und während einer Zugfahrt soll er im Oktober 1939 geäußert haben, dass er zur Reparatur erhaltene fehlerhafte Fallschirme an die Front habe zurückgehen lassen. Entnehmen lässt sich dies mehreren Zeugenaussagen in dem Horst Mohr vorliegenden Gerichtsprotokoll des Amtsgerichts Kronach vom Juli 1940.
In "Schutzhaft" genommen
Nachdem seine Äußerungen an die Polizei weitergetragen worden waren - gegen einen ersten Haftbefehl im November 1939 hatte B. M. Einspruch eingelegt -, befand er sich seit November 1939 im Amtsgerichtsgefängnis in "Schutzhaft". Das Urteil im Juli 1940 lautete dann auf eine Gefängnisstrafe von fünf Monaten wegen eines Verstoßes gegen Paragraf 92 Reichsstrafgesetzbuch (RStGB).
Das Erstaunliche daran: Bereits im Dezember 1939 lagen Dokumente zu diesem Vorgang beim Oberreichsanwalt Lautz am Volksgerichtshof, und im Dezember 1939 gab es auch schon ein Gutachten des Oberkommandos der Wehrmacht, dass es sich bei den Äußerungen nicht um den Verrat von Staatsgeheimnissen nach Paragraf 88 und auch nicht um ein Vergehen nach Paragraf 90 handele, und weiter aber auch ein Dokument der Generalstaatsanwaltschaft München mit der Bitte, das Verfahren beim Sondergericht Bamberg weiterzubetreiben.
Unterlagen über die "Schutzhaft" in Kronach waren bei den befragten Archiven zwar nicht aufzufinden - dafür dann aber ein Einzelnachweis von Anfang August 1940 über einen Einzeltransport von Lichtenfels nach Kronach sowie ein Eingangsformular aus dem KZ Dachau wenige Tage später.
Zweifelhafte Todesursache
Bereits zwei Wochen danach wurde B. M. nach Sachsenhausen überführt, und dort wurde Ende Januar 1941 sein Tod mit der angeblichen Todesursache "Herzschwäche - Lungenentzündung" registriert, obwohl er bereits Tage zuvor aus der Krankenliste gestrichen worden war. Es ist anzunehmen, dass er dort ermordet wurde, denn aus den vielen Dokumenten zu den zigtausend Euthanasiemorden finden wir, dass die dort gemachten Angaben häufig absichtlich falsch waren.
Viele offene Fragen zu zeitlichen Abläufen stellen sich weiterhin, insbesondere rund um B. M.s erste Verhaftung und die Zeit nach dem Urteil und den Transport über Lichtenfels nach Dachau. Es ist jedoch erstaunlich, dass sich im Berliner Bundesarchiv auch zahlreiche Dokumente von örtlichen NSDAP-Institutionen, in denen - mit Kopie an die Gestapo - über wöchentliche Unterstützungsleistungen und Lebensmittelleistungen für die Familie von B. M. zu lesen ist.
Das letzte Zeichen von B. M. ist ein Urnen-Sammelgrab auf dem Friedhof Alt-Glienicke in Berlin. "Ihm und anderen seiner Leidensgenossen jener Jahre gebührt unser Respekt und unser Gedenken", schreibt Horst Mohr.
Schicksale aus dem Frankenwald: Teil II folgt.