Die Aufregung war groß: Mitarbeiter des Steinberger Rewe-Marktes entdeckten Samstagmorgen mutmaßlich hochgiftige Spinne. Bis in die frühen Morgenstunden des Sonntags war der Parkplatz abgesperrt - dann kam die Entwarnung.
Sein Wochenende dürfte sich Stefan Bauer anders vorgestellt haben. Deutlich anders. Ruhiger. Entspannter. Doch anstatt einen gemütlichen Sonntag genießen und einmal die Beine hochlegen zu dürfen, musste der Geschäftsführer des Steinberger Rewe-Marktes kurzzeitig sogar um sein gesamtes Sortiment bangen.
Alle Waren müssten aus den Regalen entfernt und verbrannt, die Verkaufsräume anschließend mit Gift behandelt werden, lautete der erste Rat eines hinzugezogenen lokalen Sachverständigen, der einmal eine Tierhandlung besaß. Der Grund für die Aufregung: eine Spinne - wenn auch eine ziemlich große. Um eine hochgiftige "Brasilianische Wanderspinne" handele es sich bei dem rund vier Zentimeter großen Krabbeltier - auch als "Bananenspinne" bekannt.
Keine neuen "Haustiere"
Entdeckt hatten es vermutlich am Samstagmorgen Mitarbeiter des Supermarktes in der Obstabteilung zwischen - wie passend - Bananen. Anscheinend gehen aber nicht nur brasilianische Spinnen gerne auf Wanderschaft, denn Sonntagmittag folgte plötzlich die Entwarnung. "Bei den gefunden Tieren handelt es sich um Riesenkrabbenspinnen, die völlig harmlos sind", erklärte Rewe-Pressesprecher Raimund Esser, was das Landratsamt etwas später bestätigte. Besonders wohl fühlen sich die Achtbeiner in tropischen und subtropischen Gegenden, die sie als blinde Passagiere allerdings ebenso gerne verlassen. In Kisten schmuggeln sich die Spinnen mit dem offiziellen Namen "Heteropoda Venatoria" hauptsächlich ein. Meistens werden sie aber beim Zwischenhändler gefunden, wenn die Bananen umgepackt werden, erklärt Esser.: "Mit denen haben wir es immer mal wieder zu tun.
Zuletzt vor einigen Monaten in Düsseldorf."
Während der Biss einer Bananenspinne tödlich sein kann, ist von der Riesenkrabbenspinne außer einem schmerzhaften Biss nichts zu befürchten. Er sei in etwa vergleichbar mit einem Wespenstich, heißt es in der Fachliteratur. Esser geht aber nicht davon aus, dass Kunden, die Bananen gekauft haben, unfreiwillig um ein neues "Haustier" bereichert werden.
"Das würde auffallen, da man sich ja die Bananen nehmen kann und selbst in einen Beutel packt", sagt Esser. Braune krabbelnde Punkte auf gelben Grund wären wohl aufgefallen. Bei der Polizei in Kronach gingen bis Sonntag jedenfalls keine besorgten Anrufe ein.
Vor Ort waren die Beamten Samstagnacht dennoch. Zusammen mit der Freiwilligen Feuerwehr Steinberg, dem THW sowie Fahrzeugen des Roten Kreuzes wurde auf dem Parkplatz der dunkle Himmel zwei Stunden lang mit Blaulicht erhellt.
"Letztlich war es viel Wind um nichts", fasste Kreisbrandmeister Frank Fischer den Einsatz zusammen.
Kurz vor 21 Uhr seien die Feuerwehr und das Landratsamt informiert worden, was den Großeinsatz zur Folge hatte. "Man muss ja immer vom worst case ausgehen", sagte ein Sprecher der Kronacher Polizei.
Ausrichten konnten die Einsatzkräfte aber nur wenig. Da der ehemalige Tierladenbesitzer das gefundene und schockgefrostete Muttertier als Bananenspinne identifizierte, entschloss sich das Landratsamt dazu, das bereits geschlossenen Geschäft mit Sperrband abzusichern, damit sich niemand nähert. Das galt auch für die Feuerwehr. "Wir wollten niemanden reinschicken, weil wir nicht die erforderlichen Anzüge haben", sagte Fischer. "Man schickt niemanden rein, wenn man die Gefahren nicht kennt." Das sei nun einmal etwas deutlich anderes als die Feuerbekämpfung.
Mit der kenne man sich schließlich aus: "Eigenschutz geht immer vor." In einer Plastiktüte hatten die Mitarbeiter des Supermarktes noch Jungtiere gepackt, weshalb die Feuerwehr davon ausging, dass noch mehr Spinnen-Nachwuchs existiert.
Auf Experten-Suche
Die große Aufregung sei jedoch vermeidbar gewesen, ist Fischer überzeugt. Der entscheidende Faktor war wohl die komplizierte Suche nach einem kompetenten Experten. "Ich weiß nicht, ob der erste wirklich einer war", bezweifelt Geschäftsführer Stefan Bauer. Die endgültige Einschätzung sollte erst ein Fachmann für Spinnen aus Nürnberg geben - der aber nicht erreichbar war. "Über die Leitstelle haben wir dann einen in Frankfurt gefunden und ihm Bilder der Spinne zugeschickt", erklärt Kreisbrandmeister Fischer.
Den beim Frankfurter Forschungsinstitut Senckenberg beschäftigten renommierten Spinnen-Experten Peter Jäger beauftragte dann die Abteilung Risk Management des Rewe-Konzerns.
Das Ergebnis kam dann allerdings erst Sonntagmittag beim Konzern und beim Landratsamt an. "Wir haben alle Produkte trotzdem noch einmal gewaschen", teilte Bauer mit, der seinen Supermarkt schon heute wieder regulär öffnen wird. Allerdings mit einem Wochenende in den Knochen, das deutlich anders lief als gedacht.