Soundtrack fürs Jüngste Gericht

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Die Rotationsgeschwindigkeit der Maschine wurde variiert. Fotos: Monsieur Courage
Die Rotationsgeschwindigkeit der Maschine wurde variiert. Fotos: Monsieur Courage
Den Zuschauern wurden Soundskulpturen geboten.
Den Zuschauern wurden Soundskulpturen geboten.
 

Der Klangkünstler Peter Kutin entwickelte im Kesselhaus ein beängstigendes Überwältigungsspektakel.

Auch im höheren Alter offenbaren sich noch Überraschungen. Dafür ist das FK:K-Festival des Vereins KAfkA (Künstlerischer Arbeitskreis für kulturellen Antrieb) immer gut. Am Dienstag ging es zu Ende, es war das vierte dieser Art, und es war erfolgreich, sagen die beiden Kuratoren Felix Forsbach und Jérémie Gnaedig. Erstmals veranstaltet an zwei Standorten, eröffneten sich neugierigen und vorurteilslosen Hörern - und Zuschauern - neue Klangwelten.

Audiovisuelles Gesamtkunstwerk

Nicht nur Klangwelten, wie der - soll man ihn Konzert nennen, Performance? - Auftritt des Wiener Komponisten und Produzenten Peter Kutin am Montag zeigte. Ein audiovisuelles Gesamtkunstwerk legten der Künstler und sein Kompagnon da hin.

Wobei die humane Komponente in dieser "RotoR" benamsten Performance zumindest für die Zuschauer im düsteren Kesselraum in den Hintergrund bzw. ins nur von Laptop-Schirmen und den Kontrolllämpchen elektronischer Gerätschaften erhellte Zwielicht traten. Kutin und Patrik Lechner, in der Avantgardeszene für elektronische Kunst weltweit unterwegs und diverse Male ausgezeichnet, hatten zusammen mit einem Dritten eine kinetische Soundskulptur konstruiert: ein Gebilde aus vier archaisch anmutenden Lautsprechern, wie sie früher für Durchsagen an Bahnsteigen montiert waren, postiert auf einer Aluleiter, die quer über dem Geländer lag, das vor dem Absturz in den Untergrund des Industriebaus schützt.

In der Skulptur sind wohl Mikrofone installiert, die eingespielten Klangdateien werden zu mitunter infernalischem Getöse verstärkt, angestrahlt wird sie von Projektoren, worauf nicht nur an der Skulptur irritierend-psychedelische Farbmuster und Stroboskopblitze, sondern auch Reflexe an den rauen Betonwänden des Kesselhauses entstehen. Effekte, wie sie die Figuren des Platon'schen Höhlengleichnisses erlebt haben könnten.

Und dann beginnen sich die Lautsprecher zu drehen, zaghaft zunächst. Sich überlagernde Klangschichten erinnern ganz entfernt an wesentlich zugänglicheren Elektronik-Pop der Siebziger, von Tangerine Dream oder Klaus Schulze etwa. Das steuernde Duo variiert die Rotationsgeschwindigkeit der Maschine bis hin zu rasenden Umdrehungen, erzeugt Interferenzen, nutzt den Doppler-Effekt, steigert seine Überwältigungskunst bis zu trommel- und zwerchfellerschütternden tiefen Tönen wie die der größten Orgelpfeifen, hält dann abrupt inne und gönnt dem Zuhörer Erholung bei einzelnen Glockentönen, bis Rotation, Lautstärke und Lichtintensität sich wieder steigern. Assoziationsräume öffnen sich, Soundtrack für den Urknall oder auch den Jüngsten Tag, Science-Fiction-Musik fürs 21. Jahrhundert.

So etwas war in Bamberg bisher kaum zu erleben, Verdienst des Veranstalter-Duos, das ein zugegebenermaßen kleines, doch künstlerisch hochfeines Segment bearbeitet und zugänglich macht. Mit ihren Expeditionen ins Niemandsland zwischen Neuer Musik, Elektronika, Performance, Soundart, Jazz und Weltmusik ermöglichen sie dem Publikum bislang ungeahnte Hörerlebnisse. Zu Ende ging "FK:K 2020" mit dem albanischen Chor Vlora of independence, der polyphone Gesänge aus den Schluchten des Balkans intonierte.

Gut besucht

Auch die Nürnberger Konzerte waren, soweit es die Corona-Restriktionen zuließen, gut besucht. Die Vorfreude auf ein fünftes FK:K-Festival ist gedämpft, denn ob Forsbach und Gnaedig noch einmal die monatelange Arbeit auf sich nehmen, hängt von der Kooperation der Stadt hinsichtlich der Kesselhaus-Nutzung ab.

Und das ist ein jahrelang vor sich hinschwelendes Thema. Zuversicht zu schöpfen fürs weitere Veranstalter-Engagement, fällt schwer wie leicht nachzuvollziehen ist.