Schwanger in Zeiten von Corona

4 Min
Studienrätin Anja König wurde beim Distanzunterricht in die jeweilige Klasse zugeschaltet. Bis Anfang Dezember waren dabei ihre Klassen vor Ort in der Schule. Danach gab es beidseitigen Distanzunterricht von zu Hause aus. Foto: Heike Schülein
Studienrätin Anja König wurde beim Distanzunterricht in die jeweilige Klasse zugeschaltet. Bis Anfang Dezember waren dabei ihre Klassen vor Ort in der Schule. Danach gab es beidseitigen Distanzunterricht von zu Hause aus.  Foto: Heike Schülein
Dieses Bild entstand am letzten Schultag vor Anja Königs Mutterschutz. Die Schüler/innen der 12. Klasse der Tourismusschule Franken verabschiedeten sich von ihr mit Plakaten. Das Bild hat eine Schülerin an ihrem Homeoffice-Arbeitsplatz gemacht.
Dieses Bild entstand am letzten Schultag vor Anja Königs Mutterschutz. Die Schüler/innen der 12. Klasse der Tourismusschule Franken verabschiedeten sich von ihr mit Plakaten. Das Bild hat eine Schülerin an ihrem Homeoffice-Arbeitsplatz gemacht.
 

In diesem Schuljahr gilt für schwangere Lehrerinnen in Bayern ein Beschäftigungsverbot im Präsenzunterricht. Aber sie dürfen von zu Hause aus arbeiten. Studienrätin Anja König erzählt von ihren Erfahrungen.

Die Schüler warten im Klassenzimmer auf den Beginn der Unterrichtsstunde. Doch anstelle von Anja König betritt ein Kollege das Klassenzimmer und richtet die für den Unterricht genutzte Dokumentenkamera auf die Klasse. Nach einem kurzen Login am Lehrer-PC ist Anja König der Klasse aus dem Home-Office live zugeschaltet - und der Unterricht kann beginnen.

Der für jede Unterrichtsstunde zugeteilte Team-Kollege bleibt während der gesamten Stunde mit im Klassenzimmer und teilt z.B. Arbeitsblätter aus oder hilft bei Arbeitsaufträgen. Schließlich muss ja auch die Aufsichtspflicht gewährleistet sein!

Einen Distanzunterricht gewissermaßen "umgekehrter" Art erlebten seit Beginn des neuen Schuljahres bis zur Schulschließung vor Weihnachten die Schüler von Anja König. Die schwangere Lehrerin an der Lorenz-Kaim-Schule, dem staatlichen Berufsschulzentrum und der Tourismusschule Franken in Kronach wurde während des Schultages in die jeweilige Klasse zugeschaltet.

Dank der im Bereich Digitalisierung vorbildlich aufgestellten Schulen konnte sie so bis zu ihrem Mutterschutz Mitte Dezember "ganz normal" digital unterrichten und sogar alle Noten für die Zwischenzeugnisse der Tourismus-Schüler abnehmen. So "ganz normal" war es dennoch nicht - aber der Reihe nach.

"Stefan König als Systembetreuer IT kümmerte sich schon um mögliche Software-Lösungen für Homeschooling, als die ersten Gerüchte im März über Schulschließungen die Runde machten, und schulte später uns Lehrkräfte sowie die Schüler zusammen mit einem Kollegenteam", erklärt die Studienrätin. Die Lehrerschaft nutzte MS (Microsoft)-Teams - ein Paket, das auch Videokonferenzen und Chat-Programme umfasst. Zudem integrierte sie aber auch noch weitere digitale Tools in den Unterricht - etwa Oncoo, Kahoot! oder Mentimeter.

"Bis zu den Sommerferien habe ich ganz normal in der Schule unterrichtet, da ich vor der Verkündung meiner Schwangerschaft erst die kritischen zwölf Wochen abwarten wollte. Diese waren vor den Sommerferien vorbei", so Anja König. Als ab September die Regelung des Betretungsverbotes und somit des Online-Beschulens für sie und ihre Schüler in Kraft trat, hielt sie Distanzunterricht nach Stundenplan. Dabei baute sie Methodenwechsel in die Unterrichtsstunden digital ein. Zudem terminierte und koordinierte sie die Unterrichts-Materialien für die als Team-Lehrer fungierenden neun Kollegen und die Schüler.

"Zum Schulstart im September gab es einige Schwierigkeiten: Die Schüler und ich mussten uns erst im Zeitmanagement sowie Arbeits- und Kommunikations-Management üben. So mussten beispielsweise die Zuschaltungen funktionieren. Vor allem musste ich auch die bei manchen Schülern teilweise zögerliche und gehemmte Mitarbeit in der neuen Beschulungsform abbauen und Vertrauen in die neue Unterrichtsform schaffen", erläutert sie.

Der Austausch fehlt

Auch das schriftliche Antworten in MS-Teams auf alle Kommentare und Anfragen außerhalb des Unterrichts im Einzel-Chat sei deutlich zeitaufwendiger als im Klassenzimmer. Zudem sehe man im Klassenzimmer zum Beispiel durch einen fragenden Gesichtsausdruck, wenn Schüler etwas nicht verstehen. Dies sei über den PC viel schwieriger zu erkennen.

"Sehr vermisst habe ich auch den Austausch mit den Kollegen im Lehrerzimmer. Das ist viel zielgerichteter als in Videokonferenzen. Ich hatte das Glück, immer einen Kollegen als Team-Lehrer in der jeweiligen Klasse zu haben, dem ich vorab alles zum Kopieren für die Klassen zugeschickt habe. Ich wurde dann in die jeweilige Klasse während des Schultages zugeschaltet", erklärt sie. Da die Benotung hauptsächlich im Präsenzunterricht möglich ist, mussten ihre Kollegen für sie stellvertretend die Aufsicht bei den Schulaufgaben und Extemporalen übernehmen.

Die Vorbereitung des Distanzunterrichts erfordere einen enormen Zeitaufwand: Das Material müsse geeignet aufbereitet werden; die Vorbereitung inklusive Senden der Unterlagen an die verschiedenen Team-Kollegen benötige viel Koordination und Überblick. Natürlich habe auch sie sich erst mit der neuen Unterrichtsart anfreunden müssen, wobei sie gerade die soziale Interaktion mit den Schülern anfangs sehr vermisst habe. Nachdem man sich circa zwei/drei Wochen eingespielt habe, sei es immer besser gegangen.

Voller Lob äußerte sich auch der Schulleiter, Oberstudiendirektor Rudolf Schirmer. "Wenn Kolleginnen und Kollegen flexibel und kreativ sind, dann ist das das tolle Ergebnis einer perfekten Teamarbeit. Seit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 hat das Berufliche Schulzentrum Kronach ein Konzept entwickelt und umgesetzt, das es ermöglicht, den Stundenplan 1:1 im Distanzunterricht abzubilden. Sicherlich kann der Distanzunterricht den Präsenzunterricht nicht ersetzen. Aber in jeder Krise steckt auch die Chance, sich weiter zu entwickeln - und dieser Herausforderung stellen wir uns mit guten Lösungen und besten Ergebnissen für Schülerinnen und Schüler und Auszubildenden", so Schulleiter Schirmer.

"Für mich haben in meiner Situation die Vorteile klar überwogen", ist Anja König dankbar. So habe sie als Zugehörige einer Corona-Risikogruppe trotz Beschäftigungsverbots an der Schule weiter voll arbeiten können. "Da ich mit Herzblut Lehrerin bin, fand ich diese Möglichkeit super", bekundet sie. Daheim und in der Schule sei alles für den Distanzunterricht verfügbar - Schreibtisch und ein Computer-Arbeitsplatz in ihrem Arbeitszimmer, Internet sowie MS-Teams als Plattform.

Positive Rückmeldungen

Während der Sommerferien bildete sie sich in MS-Teams und digitalen Medien fort, um gut vorbereitet zu sein. "Das hat mich in meiner Handlungs- und Methodenkompetenz vorangebracht. Ich habe im Digitalunterricht vieles digital ausprobiert, was ich sonst vielleicht nicht oder erst später ausprobiert hätte. Sowohl meine als auch die Medienkompetenz meiner Schüler wurde gestärkt", ist sie sicher.

Auf diese Art und Weise habe sie bis zu ihrem Mutterschutz das Abschlussprüfungsfach Tourismusmarketing in der Tourismusschule Franken unterrichten, auf die veränderten Gegebenheiten eingehen und den Schülern ihre langjährige Erfahrung zur Prüfungsvorbereitung in diesem speziellen Bereich vermitteln können. Dies gelte insbesondere in diesem Corona-bedingt für die Tourismusindustrie sehr herausfordernden und schwierigen Jahr. Bis Anfang Dezember waren ihre Klassen dabei vor Ort in der Schule. Danach gab es beidseitigen Distanzunterricht von zu Hause aus.

"Die Rückmeldung der Schüler war positiv und sie haben toll mitgemacht. Nachdem wir uns ,eingegroovt' hatten, hat es auch Spaß gemacht. Zudem habe ich neue und andere Seiten von meinen Schülern kennengelernt", lobt sie. Diese hätten sich untereinander bei technischen Problemen geholfen und sich nicht ausgeklinkt. Auch bei der Bearbeitung der Aufgaben, der Benotung oder dem Unterrichtsmaterial habe es nie Probleme gegeben.