Die Zweijährige soll mit ihrer Mutter nach Nigeria abgeschoben werden. Dort droht ihr eine Genitalverstümmelung. Heute tagt der zuständige Petitionsausschuss im Landtag.
Mit dem Urteil vom 12. Februar 2021 lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth das Recht auf Asyl und auf subsidiären Schutz für die zweijährige Divine ab, die in Deutschland geboren wurde und in der Neuenmarkt Asylunterkunft mit ihrer Mutter wohnt. Damit wird das zweijährige Mädchen der Gefahr der Genitalverstümmelung in Nigeria ausgeliefert. Das Gericht sah keine Abschiebungshindernisse nach Nigeria, das Herkunftsland der Mutter, obwohl das Kind dort in ein Familienumfeld kommt, in dem die genitale Verstümmelung von Mädchen an der Tagesordnung ist. Die Richterin am Verwaltungsgericht Bayreuth argumentierte damit, dass es der Mutter - sie ist Analphabetin und alleinerziehend - zuzumuten ist, ihre persönliche Ablehnung der Genitalverstümmelungen gegen die eigene Familie durchzusetzen und damit zu verhindern, dass das Kind Opfer dieser Gewalt wird.
Die Task-Force, eine bundesweit agierende Helfervereinigung, stellt dazu fest, dass das Urteil nicht nur von völliger Abwesenheit von Sachkenntnis der Systematik des in Nigeria weit verbreiteten, kollektiven Gewaltverbrechens der weiblichen Genitalverstümmelung zeugt, sondern auch von einem hohen Grad an Zynismus. Wie der Migrationsbeauftragte der Gemeinde Neuenmarkt, Hanns-Georg Schmidt erklärt, lebte die Kindsmutter bis zu ihrer Flucht nach Europa - bei der sie unter anderem Opfer von organisiertem Menschenhandel und Zwangsprostitution wurde - in einem starken familiären Abhängigkeitsverhältnis, wurde von ihrer Schwester und dem Bruder finanziell unterstützt: "Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass sie auch bei ihrer Rückkehr nur in einer solchen Abhängigkeit überlebensfähig wäre. Selbst oder gerade wenn es ihr gelingen sollte, einer bezahlten Tätigkeit zur Sicherung des Lebensunterhaltes nachzugehen, müsste sie ihre Tochter in dieser Zeit in der Obhut der Familie oder Dritter zurücklassen und könnte dann die Unversehrtheit des Kindes per se nicht mehr sicherstellen."
Ausschlaggebend für die Gefahreneinschätzung ist in diesem Fall die konkrete Täterbelastung innerhalb der Familie der Kindsmutter: Sie selbst wurde - vermutlich im Kleinkindalter - einer gravierenden Genitalverstümmelung unterzogen, wie das Klinikum Kulmbach in einem ärztlichen Attest vom 11. November 2020 bestätigt. Im letzten Jahr verstarb die erst einjährige Tochter ihres Bruders an den Folgen einer Genitalverstümmelung, was belegt, dass in dem Familienumfeld die Verstümmelungsgewalt nach wie vor verübt wird.
Hanns-Georg Schmidt stellt fest, dass in den arachischen, patriarchalischen Verstümmelungsgesellschaften die Kinder in der Regel als kollektives Familieneigentum betrachtet und Maßnahmen, die von Mitgliedern der Großfamilie als "notwendig" erachtet werden, auch gegen den Willen der "gesetzlichen Vertreter" durchgesetzt werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Mädchen bei dauerhafter Rückkehr nach Nigeria auch gegen den erklärten Willen der Kindsmutter einer Genitalverstümmelung und damit einer schwerwiegenden, lebensgefährlichen Misshandlung unterworfen wird, muss als gegeben gesehen werden.
Die Task-Force kritisiert die Fahrlässigkeit, mit der das Gericht das Kind diesem Risiko überlassen will und fordert nachdrücklich die Gewährung zumindest subsidiären Schutzes, um die Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit, der Würde und des Lebens des Mädchens abzuwenden.