Bildung Die Unternehmen im Landkreis-Norden halten an einer neuen weiterführenden Schule vor Ort fest. Die Politik hat zurzeit jedoch noch keine Lösung für diesen Wunsch parat.
von unserem Redaktionsmitglied
Marco Meissner
Kreis Kronach — Der nördliche Landkreis ruft nach einer neuen weiterführenden Schule. Der Süden - wie auch der Freistaat - will durch ein solches Vorhaben die in Kronach ansässigen Bildungsstätten nicht gefährden. Und die Politik überlegt, wie sie diesen gordischen Knoten durchschlagen kann.
Dass Eltern und Schüler aus der Rennsteigregion nach dem Aufbau der Fachoberschule weiter um eine neue weiterführende Schule - in welcher Form auch immer - kämpfen, liegt in der Natur der Sache. Doch gerade auch die Unternehmen vor Ort stehen fest hinter diesem Vorhaben, dass kürzlich beim "Zweiten Forum Bildungsregion" wieder Thema war. "Der Zustand, so wie er ist, ist auf Dauer untragbar", stellt der Wallenfelser Bürgermeister Jens Korn (CSU) fest.
Gemeinsam mit seinem Ludwigsstadter Amtskollegen Timo Ehrhardt (SPD) leitet er einen Arbeitskreis zum demografischen Wandel, der eine Potenzialanalyse zum Thema "Schule im Norden" angestoßen hatte.
"Die Firmen im Norden sind für den Landkreis lebenswichtig", räumt der Wallenfelser ein. "Wir müssen sehen, dass wir sie unterstützen können. Nur der Weg, wie wir das am besten tun, darüber müssen wir reden."
Dem schließt sich auch Ehrhardt an: "Das Thema ist für die Betriebe äußerst wichtig. Für manchen Mitarbeiter ist es vielleicht sogar ein Kriterium, nicht an den Rennsteig zu ziehen, wenn man in Kronach drei Minuten Schulweg hat, anderswo aber eineinhalb Stunden." Es gebe heute schon Pendler, die im Landkreis-Norden arbeiteten, aber ihre Familien dort wohnen ließen, wo eine bessere Infrastruktur vorhanden sei.
Geschäftsführer Nikolaus Wiegand von Wiegand-Glas sieht das genauso.
"Wenn jemand von auswärts zuziehen soll, der Kinder hat, dann wird er eher nicht nach Steinbach oder Tettau gehen", befürchtet er eine abschreckende Wirkung des langen, zeitaufwendigen Schulwegs nach Kronach. Doch das Ringen um eine Verbesserung dieses Standortfaktors stellt in seinen Augen mitunter einen Kampf gegen Windmühlen dar. Er nennt ein Beispiel, dass ihm zu Ohren gekommen ist. Im Landratsamt sei jemand wegen der Fahrtkosten-Rückerstattung gewesen. Dort habe diese Person zu hören bekommen: "Zieht halt nach Reitsch." Eine Äußerung, die Wiegand empört. Solche Kommentare seien Wasser auf die Mühlen derer, die den Landkreis-Norden gerne tot reden würden.
Auch die "Unternehmensberater-Szene, die die öffentliche Hand berät," nimmt er an dieser Stelle ins Visier. Es gebe inzwischen schon Studien, die sagten, dass die demografischen Langzeitvorhersagen ein Schwarzer Schwan sein könnten.
Was das bedeutet? In den 70er Jahren habe man wohl kaum an eine Grenzöffnung und ihre Folgen gedacht. Heute könne man auch nicht vorhersehen, wie über Jahrzehnte die Bevölkerungsentwicklung sein werde, welche ungeahnten Ereignisse eintreten werden. "Hoffentlich sagen wir in 20 Jahren dann nicht, hätten wir damals da oben was gemacht", meint Wiegand.
Auch in den Augen von Heinz-Glas-Präsident Carl-August Heinz wäre eine weiterführende Schule am Rennsteig ein wichtiger Pluspunkt für den Landkreis-Norden. "Oder hätte ich sonst die ja nicht unerheblichen Gelder für die FOS gegeben?", hinterfragt er rhetorisch sein Engagement im Bildungssektor und wünscht sich den nächsten Schritt.
Seine persönlichen Möglichkeiten und die des Unternehmens, beim Aufbau einer weiteren Schule zu einer treibenden Kraft zu werden, hält er für eingeschränkt.
"Der Kampf um die FOS ist schon schwer genug, und deshalb kann ich mir keinen weiteren Kampf um eine weiterführende Schule im Norden vorstellen", betont er. Und die Unterstützung für ein solches Vorhaben stellt er nur dann in Aussicht, wenn sich auch die staatlichen Entscheidungsträger hinter ein solches Projekt stellen.
Dass es soweit kommt, hofft er inständig. "Wenn der Landkreis Kronach keine weiterführende Schule im nördlichen Landkreis schafft, gräbt er sich selbst das Wasser ab", warnt er vor negativen Folgen eines Zögerns. Durch eine weiterführende Schule im Norden des Landkreises blieben zumindest Schüler im Kreis, auch wenn sie dann gegebenenfalls zunächst nicht nach Kronach gingen.
"Wenn diese weiterführende Schule nicht kommt, wird sich der Schulbesuch aus dem Landkreis-Norden heraus nach Thüringen weiter verstärken", befürchtet er.
Wenn es aber tatsächlich zur Verwirklichung einer neuen Schule am Rennsteig kommen sollte, welchen Typ könnte er sich dann vorstellen? Heinz hat sich darüber Gedanken gemacht: "Ich vertrete die Meinung, dass kurze Beine kurze Wege zur Schule haben sollten und plädiere deshalb für eine weiterführende Schule für die jüngsten Jahrgänge, die man in weiterführende Schulen schickt - also so etwas, was man früher als Pro-Gymnasium bezeichnet hätte."
Nennenswerte Alternativen für eine Verbesserung der Schulwegsituation sieht er neben einer wohnortnahen, weiterführenden Schule nicht.
Wenn diese aber nicht kommen kann oder soll, dann müsste seiner Ansicht nach zumindest durch direkte Buslinien der Schulweg auf 45, maximal 60 Minuten verkürzt werden.
Kinder, die um 6 Uhr aufbrechen müssen, um rechtzeitig in die Schule zu kommen, das darf auch nach Jens Korns Ansicht kein Dauerzustand bleiben. Das Ergebnis der Potenzialanalyse zeige jedoch, dass "eine ganz normale Etablierung einer Realschule oder eines Gymnasiums im Norden nicht möglich ist, ohne Kronacher Schulen zu gefährden". Genau das wolle der Freistaat jedoch vermeiden.
"Das ist aber nicht das Ende", versichert Korn, dass es noch Wege für die Rennsteig-Region gibt. Etwa ein Internat mit Gymnasium oder Realschule, das man für externe Schüler öffnet, ist in seinen Augen eine denkbare Alternative. Eine von der SPD ins Gespräch gebrachte Gemeinschaftsschule sieht er hingegen eher mit Skepsis.
"Ich denke, das ist kein Weg für uns", meint er.
Timo Ehrhardt bedauert hingegen, dass seitens des Kultusministeriums dem Thema "Gemeinschaftsschule in Bayern" generell eine Absage erteilt wird. "Die SPD im Kreis hält weiter daran fest", unterstreicht er, dass man diese Lösung noch nicht abgehakt hat. Eine private Schule, ein Internat, eine Schulverlagerung von Süd nach Nord - es gibt in Ehrhardts Augen noch viele weitere Ansatzpunkte, über die diskutiert werden kann.
Dabei geht es ihm nicht nur um die Neuansiedlung von Bürgern, sondern auch um die Schüler, die jetzt schon da sind. Um 6 Uhr in den Bus zu steigen und über eine Stunde zur Schule zu fahren, sei für diese Kinder leider eine Gewohnheit. Deshalb fragt Ehrhardt auch: "Wir fahren jetzt runter.
Warum können dann nicht andere zu uns herauffahren?" Doch wie die Geschichte auch ausgeht, steht für ihn fest: "Egal welchen Schultyp man favorisiert, es braucht die Akzeptanz der Bevölkerung."
Sein Kollege Jens Korn will sich in der Diskussion nicht mit aller Kraft nur am Thema "Schulstandort" festbeißen. "Es gibt Baustellen, bei denen man relativ einfach einen Effekt erzielen kann", fordert er ein breit gefächertes Denken. Schon eine Verschiebung des Schulbeginns von 7.40 auf 8 Uhr wäre in seinen Augen ein erster Schritt. 20 Minuten mehr Zeit am Morgen könnten, wie er aus eigener Erfahrung als Familienvater weiß, den Kindern ein Stück weit helfen. Und vor allem die "Fahrschüler" würden davon profitieren. Letztendlich müssten sich aber der Schulausschuss und der Kreistag nochmals mit dem gesamten Themenkomplex befassen und ihre Schlüsse aus der Potenzialanalyse ziehen.