von unserer Mitarbeiterin Katja Nauer Coburg — Die zahlreichen widersprüchlichen Aussagen eines Taxifahrers, die trotz beharrlicher Nachfrage durch Jugendrichterin Susanne Hinz nic...
von unserer Mitarbeiterin Katja Nauer
Coburg — Die zahlreichen widersprüchlichen Aussagen eines Taxifahrers, die trotz beharrlicher Nachfrage durch Jugendrichterin Susanne Hinz nicht aufgeklärt werden konnten, ließen Oberstaatsanwalt Martin Dippold handeln: Noch während sich der Zeuge im Gerichtssaal befand, bot er dem Anwalt des Angeklagten die vorzeitige Beendigung des Prozesses an. Für Dippold war der Taxifahrer zwar der einzige unabhängige Beobachter in dem Verfahren, für Anwalt Volker Albrecht jedoch schlicht ein unglaubwürdiger Zeuge einer Schlägerei unter Studenten.
Die Einstellung des Verfahrens scheiterte jedoch anfangs, weil der Angeklagte, ein 21-jähriger Student, der sich wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Jugendschöffengericht verantworten sollte und sich für unschuldig erklärte, sich nicht nur einen Freispruch wünschte, sondern auch nicht auf
seinen Anwaltskosten sitzen bleiben wollte. Dies lehnte Dippold anfänglich strikt ab.
Mit "Wildpinkeln" fing es an Im Oktober 2013 war der junge Mann, der jetzt auf der Anklagebank saß, bei einer tätlichen Auseinandersetzung auf einer Studentenparty in Coburg schwer verletzt worden. Nachdem ein Gast aus Untersiemau in den Vorgarten des Anwesens, in dem die Party stattfand, uriniert hatte, kam es zum Streit zwischen den Mietern und dem Untersiemauer und seinem Freund. Dabei verletzte der Untersiemauer den 21-jährigen Studenten mit einem zerbrochenen Weizenglas erheblich im Gesicht und im Auge. Zurück blieben sichtbare Narben, zudem büßte der junge Mann seine Sehkraft ein und muss dauerhaft eine Brille tragen.
Sowohl der Untersiemauer, der zur Tatzeit unter Alkoholeinfluss stand und zudem Drogen genommen hatte, als auch dessen Freund, der ihm bei der Auseinandersetzung beigestanden hatte, wurden verurteilt. Der Untersiemauer erhielt ein Jahr und sieben Monate zur Bewährung sowie die Verpflichtung zu achtzig Stunden gemeinnütziger Arbeit, die er bereits ableistete. Außerdem einigte er sich mit dem jungen Studenten über eine Schadenersatzzahlung von rund 8100 Euro. Sein Freund wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.
Weil allerdings auch der 21-jährige Student Tritte gegen den Untersiemauer ausgeteilt haben soll, sollte er sich nun wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Dabei lud die Staatsanwaltschaft zahlreiche Zeugen, darunter die beiden rechtskräftig Verurteilten, ebenfalls Studenten, vor.
Gegen einen von ihnen, nämlich den Freund des Untersiemauers, der nach Ansicht von Albrecht falsch ausgesagt hatte, stellte dieser noch im Gerichtssaal Strafantrag wegen uneidlicher Falschaussage.
Keiner erinnert sich Weitere Partyteilnehmer, die geladen wurden, konnten sich nicht erinnern, den jungen Studenten auf den Untersiemauer eintreten gesehen oder auch nur davon gehört zu haben. Was blieb war ein Zeuge, der "definitiv gesehen hat, dass jemand getreten wurde". Wer jedoch auf wen eingetreten hatte, blieb im Dunkeln. Einig waren sich die Zeugen zumindest, dass es einen Schrei gegeben habe: "Pass auf, du bringst ihn noch um."
Am Ende konnte nicht ermittelt werden, ob der junge Student den Untersiemauer, nachdem er von diesem bereits schwer verletzt worden war, wirklich gegen Kopf oder Oberkörper getreten hat.
Auch konnte nicht geklärt werden, ob die Übelkeit, die Hämatome und die Kopfschmerzen des Untersiemauers, über die ein Arzt Zeugnis ablegte, von einem Tritt, von einem Sturz während seiner nächtlichen Flucht vom Tatort oder von der Schlägerei und dem Alkohol- und Drogenkonsum stammte.
Deshalb kamen die Vertreter der Anklage und Verteidigung doch noch überein, das Verfahren einzustellen.
Die Entscheidung darüber, wer die Kosten des Verfahrens und die Auslagen des Angeklagten trägt, überließen sie dem Gericht. Dieses urteilte: Die Kosten werden der Staatskasse auferlegt.