Prozess um Zeitschrift für 1,95 Euro

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Manchmal geht es im Gerichtssaal um Kleinigkeiten. Am 23. Mai saß ein 68-jähriger Rentner vor der jungen Amtsrichterin. Ihm wurde vorgeworfen, am Nachmittag...

Manchmal geht es im Gerichtssaal um Kleinigkeiten. Am 23. Mai saß ein 68-jähriger Rentner vor der jungen Amtsrichterin. Ihm wurde vorgeworfen, am Nachmittag des 19. März letzten Jahres in einem Schweinfurter Einkaufsmarkt eine Fernsehzeitschrift im Verkaufswert von 1,95 Euro gestohlen zu haben. Ein Detektiv (55) hatte beobachtet, wie er das Programmheft in einer blauen Sporttasche verstaut habe und ohne zu zahlen den Kassenbereich über einen unbesetzten Kassendurchgang verlassen wollte.


Das TV-Heft einbehalten

Noch im letzten Drittel der Kassenzone hielt der Detektiv den 68-Jährigen an und nahm ihm mit ins Büro. Dort habe er der Rentner die Zeitschrift bezahlen wollen, sagte der 55-jährige Detektiv - aber ein Kassierer sei er nicht, und das TV-Heft hätte er eh einbehalten. Der Angeklagte behauptet, er habe einen unbesetzten Kassengang in Richtung des Marktinnern verlassen und sich an der anderen Kasse anstellen wollen, zwei Euro zum Bezahlen bereits in der linken Hand gehalten - sei vom Detektiv aber dann angehalten und mitgenommen worden.


Gute Gründe

Angeklagter und Detektiv widersprechen sich erheblich. Der Staatsanwalt sieht den Anklagevorwurf als erwiesen an, will beim Vorschlag der Richterin, die etwas unklare Lappalie ohne Auflagen einzustellen, nicht mit. Auch mit Geldauflage wollte er davon nichts wissen, und führte recht gute Gründe dafür an: 14 Vorstrafen, beginnend mit dem Jahr 1973, darunter viele einschlägige (alleine fünf wegen Diebstahls und sechs wegen Betrugs), und weil er zur Tatzeit unter Bewährung stand.
Die Strafrichterin aber folgte dem Verteidiger, der in dem Umstand, dass die 1,95-Euro-Zeitschrift in der Sporttasche steckte, noch keine "Zueignungsabsicht" sah, was die Voraussetzung für einen Diebstahl sei. Dass der Rentner zwei Euro zum Bezahlen in der Hand gehalten habe, sei auch nicht auszuschließen, und den Kassenbereich habe er ebenfalls noch nicht vollständig verlassen gehabt.


Berufung ist möglich

Deshalb: Freispruch vom Vorwurf des Diebstahls. Ob es dabei bleibt, ist mehr als fraglich. Die Staatsanwaltschaft hatte einen Schuldspruch und 1500 Euro Geldstrafe gefordert. Sie kann gegen das Urteil in Berufung gehen. fan