Provokation und Reaktion

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Ein Staatsanwalt macht eine Unterstellung. Zugunsten des Angeklagten und damit das Verfahren gütlich beendet wird. Ein nicht häufig eintretender Vorfall am Amtsgericht, aber am Dienstag eben der Weg z...

Ein Staatsanwalt macht eine Unterstellung. Zugunsten des Angeklagten und damit das Verfahren gütlich beendet wird. Ein nicht häufig eintretender Vorfall am Amtsgericht, aber am Dienstag eben der Weg zu einer Verfahrenseinstellung. Und das, obwohl die Vorwürfe gegen den 30-jährigen Lichtenfelser Angeklagten durchaus massiv waren.

"Du Bastard, ich leg' dich um", bekam am 18. Juni 2019 ein Autofahrer durch die Seitenscheibe zu hören. Das jedenfalls bekräftigte die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift, welche gegen einen heute 30-jährigen Lichtenfelser verlesen wurde. Er soll auf dem Günther-Hauptmann-Ring unterwegs gewesen sein und einen Halt an der Ampel dazu genutzt haben, aus seinem Pkw zu steigen und einen Fahrer vor ihm massiv zu bedrohen und zu beleidigen.

Dass er für seine Aufgebrachtheit einen Grund gehabt habe, erklärte der Angeklagte sofort, dass er sich in dieser Art und Weise geäußert habe, bestritt er allerdings. "Ich habe nur gesagt: Willst du uns umbringen?" Mit "uns" seien er und seine Beifahrerin gemeint gewesen, und was den Grund der Frage anbelangte, so sei der vorausfahrende Mann vor ihm "zweimal in die Eisen gestiegen", aber eben zweimal auch ziemlich unvermittelt. "Ich habe ihn noch gefragt, was ich getan haben soll, dass er so bremst." Dieses "Was" interessierte auch Rechtsanwalt Bernd Legal, der den Angeklagten vertrat und ein paar Fragen an den Bremser hatte. Dieser, ein 21-jähriger Auszubildender, ging in seiner Schilderung des Geschehens noch ein bisschen weiter als die Anklageschrift. "Er hat versucht, mir die Scheibe einzuschlagen", erklärte er zu der Aufgebrachtheit des Angeklagten. Er selbst sei lediglich zügig unterwegs gewesen und wenige Hundert Meter vorher von dem einbiegenden Angeklagten beinahe gerammt worden. "Ich bin durch Lichtenfels vor ihm geflüchtet", fügte er noch an.

Advokat setzte dem Mann zu

Wovor er nicht flüchten konnte, waren Legals Fragen. Und der Advokat setzte dem Mann zu. So erhielt er beispielsweise auf eine Nachfrage zur Antwort, dass es zu einem sonderlichen Überholvorgang gekommen ist. Dergestalt nämlich, dass der Angeklagte den 21-Jährigen innerorts habe überholen wollen und sich dabei schon auf gleicher Höhe befand, aber nicht vorbeigelassen wurde. Nach Schilderung dieser Sachlage muss dies ein eigenwilliges Schauspiel gewesen sein.

Auch eine weitere Zeugin konnte diesen Vorfall bestätigen. Sie, eine 20-jährige Lichtenfelserin, die Beifahrerin des Angeklagten war, schilderte dieses Ausbremsen und dass der Angeklagte, der damals ihr Freund war, den 21-Jährigen an der Ampel zur Rede gestellt habe. Durch das geöffnete Fenster habe sie den Satz "Willst du uns umbringen?" vernommen. Auch diese Zeugin kam der Partei des Angeklagten zupass und so plädierte Legal auf Verfahrenseinstellung.

"Ich würde mal zugunsten des Angeklagten unterstellen, dass dem allem doch eine Provokation vorausging", so Staatsanwalt Mario Geyer letztlich. Allerdings sollte zum gütlichen Ende des Verfahrens gehören, dass die Einstellung unter Auflage erfolgte. "Ein halbes Monatsnetto" würde dafür genügen, erklärte Geyer. Im Falle des von Hartz IV lebenden Angeklagten beläuft sich dieses halbe Monatsnetto auf 200 Euro. MH