Skandalöses Ausbeuten in den Großschlachthöfen fliegt auf, tausende Bauern auf ihren Traktoren blockieren Städte, die Landwirtschaftsministerin lädt zu Fleischgipfeln - all das hat nichts gebracht. De...
Skandalöses Ausbeuten in den Großschlachthöfen fliegt auf, tausende Bauern auf ihren Traktoren blockieren Städte, die Landwirtschaftsministerin lädt zu Fleischgipfeln - all das hat nichts gebracht. Der Preis, den Bauern für ihr Schweinefleisch bekommen, steigt nicht etwa, er sinkt.
Es ist eine orangefarbene Linie in einem Diagramm, die für die Landwirte die Lebenslinie ist. Sie kennt seit Anfang des Jahres nur einen Weg - nach unten. Und das, obwohl dem Billigfleisch der Kampf angesagt wurde. Jetzt hat die Linie die Marke von 1,19 Euro erreicht. Soviel bekommen die Schweinehalter von den Schlachthöfen für ein Kilo Fleisch. Anfang des Jahres lag der Preis noch bei über zwei Euro. Der Rückgang beträgt 40 Prozent.
Für die Landwirte ist das brutal, sie verdienen nicht mehr mit ihrer Arbeit und zahlen drauf. Eine nachhaltige Landwirtschaft mit mehr Tierwohl in den Ställen liegt von diesem Preis meilenweit entfernt. "Bei diesem ruinösen Preis macht jeder Schweinehalter massive Verluste und mittelfristig werden viele aufgeben müssen", sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied dieser Redaktion. Er ist enttäuscht von den großen Handelsketten. Denn den Preis für Fleisch und Wurst bestimmen nicht die Schlachthöfe, sondern ganz wesentlich die vier großen Supermarktketten Aldi, Lidl, Rewe und Edeka.
Im Lebensmittelhandel vereinen sie eine Marktmacht von 85 Prozent. Sie begründen den jüngsten Preisverfall mit der Afrikanischen Schweinepest. Weil China einen Importstopp für Schweinefleisch aus Deutschland verhängt hat, ist die Nachfrage deutlich zurückgegangen, weshalb ein gleichbleibendes Angebot weniger Nachfragern gegenübersteht. Der Preis gibt nach.
Aus Sicht der Bauern wird die Sondersituation ausgenutzt und der Preis über Gebühr gedrückt. "Da die Preise im Lebensmitteleinzelhandel stabil sind, gehen wir davon aus, dass innerhalb der Lebensmittelkette auf dem Rücken der Bauern gut verdient wird", beklagte Rukwied.
Nachhaltigkeit und faire Bedingungen haben sich mittlerweile auch die Supermarktketten auf die Fahnen geschrieben. Bei Worten ist es geblieben. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) will sich das nicht länger bieten lassen. Vergangene Woche hat sie ihren Gesetzentwurf gegen unlautere Handelspraktiken durch das Bundeskabinett gebracht. Er soll die Bauern und kleinere Schlachthöfe gegen die Macht der großen Vier schützen. Es drohen bei Verstoß Geldbußen in Höhe von bis zu einer halben Million Euro. Das Parlament muss dem Entwurf zustimmen.
Julia Klöckner ist keine Politikerin, die schnell nach dem Staat ruft und durch Verbote und Auflagen regieren will. Doch von den Handelsketten will sie sich nicht länger an der Nase herumführen lassen beim Thema Fleischpreise. Unlautere Praktiken zu Lasten der Kleinen "sind vielfach Realität".