Einer der letzten Stockheimer Bergmänner, der 81-jährige Willi Müller, brachte den Reitscher Schülern die Zeiten des schwarzen Goldes näher. Die Kinder waren begeistert.
Karl-heinz Hofmann
Die Schüler der Grundschule Stockheim, der dritten und vierten Klassen in der Schule Reitsch, erhielten Besuch eines echten Bergmannes. Der 81-jährige Willi Müller arbeitete noch bis zur Schließung der Zeche St. Katharina 1968 in Stockheim unter Tage. 17 Jahre lang verdiente er sein Brot im Stollen und war bis zu 350 Meter tief als Hauer unter der Erde beschäftigt um das schwarze Gold, die Steinkohle, zutage zu fördern. Mit viel Leidenschaft erzählt der ehemalige Bergmann von seiner einstigen sehr schweren Arbeit und dazu seien es noch schwere Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen.
Zunächst begann der Besuch von Willi Müller ganz lustig und fröhlich. Nämlich mit dem Bergmannslied "Glück auf, Glück auf, der Steiger kommt", das auf einer CD erklang und von allen Schülern mitgesungen wurde - der Text ist bei Schülern der Bergwerksgemeinde hinlänglich bekannt.
Doch dann die erste Überraschung. Willi Müller fügte zwei Strophen als Zugabe an - und zwar a cappella nach einem von ihm eigens verfassten Text. Mit tosendem Applaus bekundeten die Schüler ihre Begeisterung. Voller Leidenschaft erzählte der ehemalige Bergmann dann Anekdoten und Geschichten, aber auch authentische Erlebnisse seiner Bergwerksgeschichte von der Arbeit täglich unter Tage. Immer wieder verweist er darauf, dass das "harte Arbeit in einer schweren Zeit" gewesen sei. Als 16-Jähriger durfte er 1951 seine Tätigkeit im Bergwerk beginnen. Die Spannung knisterte bei den Schülern, als er erzählte, dass die Mahlzeiten trotz dieser harten Arbeit sehr dürftig gewesen seien. "Fleisch und Wurst wie heute gab es nicht oder nur selten und dann war der Vater an erster Stelle.
Für die Kinder blieb nur noch ein spärlicher Rest."
Apropos Kinder, sie zeigten großes Interesse an den Erzählungen des Bergmanns, der von Gerwin Eidloth (Vorsitzender Förderverein Bergbaugeschichte Stockheim) und Günther Scheler begleitet und unterstützt wurde. Kein Wunder, denn von der Hälfte der Kinder waren die Großväter noch im Bergwerk beschäftigt. Ihre Neugier und Wissenshunger wurden geweckt, als alle Grundschüler die Ausstellung "Schwarzes Gold II", Anfang September, in der Zecherhalle Neukenroth besuchen konnten. Die Schüler der dritten Klasse erstellten daraufhin sogar einen Fragebogen.
"Spannende Unterrichtsstunde"
Dies beeindruckte Willi Müller so sehr, dass er sich spontan bereiterklärte, den Schülern in der Schule Reitsch Rede und Antwort zu stehen und aus seinen Erfahrungen zu berichten.
"Daraus entstand eine wirklich sehr spannende und interessante Unterrichtsstunde", wie nicht nur Rektorin Astrid Kestel empfand, sondern auch Lehrerin Yvonne Fritz-Schilling fand das Interesse der Schüler phänomenal. Während der Erzählung wurden immer wieder auch Gegenstünde wie Grubenlampen, Modell eines Huntes (Förderwagens) und vieles mehr gezeigt und auch erklärt, was ein Grubenstempel ist - also ein Stützwerk aus Holz an dem auch Lampen aufgehängt wurden.
"Es gab auch zwei Seilbahnen zur Kohlenbeförderung", berichtete Müller. "Wir wollen die Bergbaugeschichte erhalten", sagen Müller, Scheler und Eidloth und opfern deshalb ihre Freizeit, um bereits Kinder mit der Tradition zu konfrontieren und zu berichten, in welch schweren Zeiten und mit welch schwerer Arbeit im Schweiße ihres Angesichts die Vorfahren unter Tage bei ständiger Dunkelheit ihr Geld verdienen mussten.
"Warum musste das Bergwerk
schließen?", interessierte die Schüler. "Es war die Konkurrenz durch billigeres Heizöl", informierte Müller. "Alle Unternehmen und Privatleute, die bislang Kohle abgenommen hätten, kauften natürlich das billigere Heizöl ein. Hunderte von Bergleuten wurden vom schweren Schicksal der Zechenschließung getroffen und mussten schauen, dass sie einen anderen Broterwerb fanden." Es war eine äußerst interessante Lehrstunde an der Schule Reitsch. Die Schüler spendeten nochmals großen Beifall für die drei Idealisten, die ehrenamtlich bereit waren, die Geschichte des Kohlenbergbaus in die Schule zu bringen.