Eigensinn äußert sich darin, dass ich nur nach meinen Wünschen frage - und nicht danach, ob das Haus in seine Umgebung passt. Sich in den vorhandenen Bestand einfügen, das heißt ja nicht, dass man auf Individualismus verzichten muss. Fähige Architekten können helfen, aber bei vielen Häusern ist ja gar kein Architekt im eigentlichen Sinn beteiligt. Auch eine kommunale Gestaltungssatzung könnte nutzen - aber die kann man leider bei uns mit der Lupe suchen.
Wird unsere Heimat durch diese anonymen Gebäude verändert, wird gar der Begriff Heimat dadurch entwertet?
Natürlich, Heimat hat mit Bauen und mit dem Gesicht unserer Orte zu tun. Zwar entsteht Heimat letztlich nur durch Gemeinschaft, durch das Bewältigen gemeinsamer Aufgaben. Aber damit in einem Ort ein solcher Geist und ein derartiges Gefühl wachsen können, muss er auch lebenswert sein und ein ansprechendes Profil haben, in sozialer, aber auch in baulicher Hinsicht. Man wird schon einmal fragen dürfen, ob die Bevölkerungsverluste auf dem Land auch damit zu tun haben, dass viele unserer Dörfer hässlicher werden, dass sie ihr lange gewachsenes bauliches Gesicht verlieren. Allzu oft macht sich das Land selbst zur Provinz.
Dass bei verfehlten Projekten oder verqueren Ideen mit dem Wort "Heimat" Schindluder getrieben wird, sieht man immer wieder.
Weisen Stadt- und Gemeinderäte zu großzügig Baugebiete für Wohnhäuser und Gewerbebetriebe aus, statt Flächen zu sparen und die Bebauung in Ortskernen zu verdichten?
Eindeutig ja. Besonders kurios wird es dann, wenn Orte seit Jahren und Jahrzehnten Einwohner verlieren oder stagnieren - und dennoch in die Kulturlandschaft hinauswuchern, wenn ein Baugebiet nach dem anderen ausgewiesen wird, und zwar mit allzu großen Parzellen. Gleichzeitig veröden die Innenorte. Der Boden ist ein endliches Gut, und die gewachsene Kulturlandschaft ist von hohem ideellen Wert. Eine Krisenzeit wie jetzt kann uns klar machen, wie wichtig, ja überlebensnotwendig die Bewahrung landwirtschaftlicher Flächen ist. Stattdessen wird bei uns weiterhin versiegelt, als ob es kein Morgen gäbe. Das immer wieder beschworene Flächensparen erscheint mir als bloßes Lippenbekenntnis: Es wird davon geredet, aber im konkreten Fall knicken die Entscheider allzu oft ein. Auch der Flächenbedarf manches Straßenbauprojekts stimmt bedenklich.
Umgekehrt: Wenn Altbestand verschwindet, dann häufig nicht für eine Nachbebauung, sondern mit dem Hinweis auf zu schaffende Parkplätze. Ich frage mich bloß, wer alles in unseren Dorfkernen parken soll.
Kann man in Zeiten der Corona-Pandemie vom Staat überhaupt noch erwarten, dass er für die Sanierung und den Erhalt alter Gebäude weitere Zuschüsse gibt oder neue Förderprogramme auflegt?
Dass die öffentlichen Kassen angespannt sein werden, weiß jeder. Aber Altbausanierung nutzt auch Betrieben, zumal Handwerkern, also der heimischen Wirtschaft. Das ist doch wohl förderwürdig. Außerdem kann eine Tourismusregion wie unsere ohne gute Ortsbilder langfristig nicht überleben.
Außerdem braucht es nicht nur Fördergelder, sondern mindestens im gleichen Maß bessere steuerliche Vorteile, wie sie an anderen Stellen ja auch gewährt werden. Denkmaleigentümer können ihren Sanierungsaufwand beim Finanzamt geltend machen. Leider ist die zuständige Fachbehörde sehr restriktiv, wenn es um die Anerkennung als Baudenkmal geht. Selbst Eigentümer, die dies selbst wollen und gute Gründe dafür haben, werden nicht selten abgewiesen - und zwar mit Argumenten, die ich schwer nachvollziehen kann. Aber auch die Sanierung von Altbauten, die kein Denkmal sind, muss stärker unterstützt werden. Kommunen können durch intensive Beratung im Vorfeld helfen. Sonst wird das nie was mit dem Flächensparen. Das Gespräch führte Matthias Einwag.