Kulmbach, die ewige Zweite im bayerischen Bierstadtranking

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Timo Nüsslein bei seinem Vortrag Foto: Holger Peilnsteiner
Timo Nüsslein bei seinem Vortrag Foto: Holger Peilnsteiner

Holger Peilnsteiner Nicht der Geschmack, sondern der geschäftliche Erfolg der Brauereien stand im Zentrum des bierhistorischen Abends der Freunde der Plasse...

Holger Peilnsteiner

Nicht der Geschmack, sondern der geschäftliche Erfolg der Brauereien stand im Zentrum des bierhistorischen Abends der Freunde der Plassenburg im museumspädagogischen Zentrum auf dem Mönchshofgelände. Aus Anlass des 500-jährigen Bestehens des Bayerischen Reinheitsgebots sollten die beiden wichtigsten Bier produzierenden Städte Bayerns einmal genauer unter die Lupe genommen werden.
Timo Nüsslein entführte bei Bier und Bildern seine Zuhörer in die Zeit des letzten deutschen Kaiserreichs, als zwischen Kulmbach und München ausgemacht wurde, wer die führende bayerische Biermetropole war.


Kulmbach setzte auf Export

Die Zahlen, die der promovierte Historiker, der für das Haus der Bayerischen Geschichte in Augsburg arbeitet, für seinen Vortrag heranzog, hatten es in sich: Im Jahr 1880 lieferten allein die beiden heute noch weltweit bekannten Bierstädte an Isar und Weißem Main 58 Prozent des exportierten Bieres.
Noch deutlicher wurde die Vormachtstellung von Kulmbach und München nach 1900, als allein aus diesen beiden Orten 81 Prozent des Exportbieres des Königreichs Bayern kam.
"In München und Kulmbach haben die Erfindungen und Innovationen des 19. Jahrhunderts ihre Wirkung im Bereich des Brauwesens voll entfaltet", erklärte Nüsslein diese Entwicklung. Als die Zollschranken ab 1834 immer weniger wurden, gründeten sich in der Folge zahlreiche Brauereien. Die erste Fracht, die 1835 auf der ersten deutschen Eisenbahnstrecke zwischen Nürnberg und Fürth transportiert wurde, bestand aus zwei Fässern Bier.


An der Eisenbahn

Schon 1846 war Kulmbach an das Eisenbahnnetz angeschlossen worden und die sechs größten Brauereien nutzten umgehend die Infrastruktur, um ihre Erzeugnisse nach Schlesien, Sachsen, Thüringen und Norddeutschland zu liefern. München wiederum lieferte vor allem in europäische Metropolen wie London, Paris oder Wien. Nach der Eisenbahn wurde sofort die von dem in Berndorf bei bei Thurnau geborenen Carl Linde erfundene künstliche Kühlung in den Dienst der Gerstensaftgewinnung gestellt, zunächst bei Spaten in München und schließlich auch in Kulmbach.
Neben den technischen Innovationen führten auch neue Finanzierungsinstrumente dazu, dass sich nach der Reichsgründung 1871 zahlreiche Aktiengesellschaften wie etwa die EKU gründeten.


München setzt auf Biertempel

Die Stadt an der Isar hatte im Gegensatz zu dem nur etwa 8000 Einwohner zählenden Kulmbach auch den Vorteil, mit mehr als 500 000 Einwohnern am Ende des 19. Jahrhunderts ein schier unerschöpfliches Reservoir an Biertrinkern direkt vor den eignen Brauereitoren zu haben. "München verkaufte Unmengen an Bier in der eigenen Stadt und die Brauereien betrieben dort auch selbst Biertempel, in denen sie an Tausende Durstige täglich ausschenkten."
In Kulmbach aber gab es bis zum Ersten Weltkrieg keinen großen Brauereiausschank in Form einer Gaststätte. Die führenden fünf Exportbrauereien hatten sich in den Jahrzehnten zuvor tatsächlich nur auf die Ausfuhr von Bier verlegt. "Erst in den 1920er-Jahren richtete zum Beispiel die Reichelbräu mit der Altdeutschen Bierstube in der Langgasse einen eigenen Bierausschank ein", ließ der Referent aufhorchen.
Als nach der Jahrhundertwende die Rohstoffpreise für Getreide, Hopfen und den Energieträger Kohle stark anzogen, sank der Absatz des dadurch teurer gewordenen Getränks signifikant und erreichte erst 1914 wieder annähernd die Zahlen von vor 1900. Ein anderes Problem, dass beide Braustandorte betraf, war die um 1900 immer stärker werdende Abstinenzlerbewegung, die auf ein völliges Verbot von Alkohol als Getränk hinarbeitete.
In Kulmbach arbeiteten 1900 etwas mehr als 1000 Menschen in den Brauereien, in München mehr als 4000. Ein Brauer verdiente in Kulmbach 22 Mark im Monat, in München im Durchschnitt 32 Mark. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist Kulmbach nach Recherchen Nüssleins stets die zweitgrößte Biermetropole in Bayern gewesen.