Viele Menschen wurden in den Jahren der Nazidiktatur ermordet – auch in der Region. Für die Opfer gibt es hier kaum ein Gedenken. Auf Thüringer Seite ...
Viele Menschen wurden in den Jahren der Nazidiktatur ermordet – auch in der Region. Für die Opfer gibt es hier kaum ein Gedenken . Auf Thüringer Seite wird an einigen Stellen an die Todesmärsche erinnert, die die Nazis in den letzten Tagen und Wochen des Dritten Reiches in Gang gesetzt hatten und bei denen unzählige Menschen starben.
Horst Mohr recherchiert seit Jahren die Folgen des Naziterrors in der Region. Vor allem möchte er mehr über das Euthanasieprogramm der Nazis ans Tageslicht bringen. Mehr als 50 Menschen soll dieses Vernichtungsprogramm betroffen haben. Er wäre dankbar, wenn ihn Menschen unterstützen würden. Den Opfern einen Namen und ein Gesicht zu geben, ist sein Anliegen. Gibt es noch jemanden, der sich erinnert? Gibt es Unterlagen, die dies dokumentieren? Ein belegtes Beispiel ist: Der Oberlangenstadter Bürgermeister Adam Ruff hatte aufgrund der „Rassenhygiene“ veranlasst, dass aus Oberlangenstadt ein behindertes Mädchen und ein behinderter junger Mann in Konzentrationslager kamen und ermordet wurden. 1952 wurde Ruff in Oberlangenstadt erneut zum Bürgermeister gewählt. An die beiden Opfer erinnert nichts. Immerhin gibt es in Küps eine Erinnerungstafel am Geburtshaus von Adolph Kurt Böhm, der diese Geschehnisse in seinem Buch aufgeschrieben hat.
Horst Mohr wünscht sich, dass es auch auf fränkischer Seite Gedenksteine oder Ähnliches gibt. Für etliche Stellen liegen Dokumente vor, die aufzeigen, wo ermordete Menschen vergraben waren. Gerade im Kronacher Bereich gibt es etliche Belege für Naziopfer, die kein öffentliches Gedenken erfahren.
Selbst ein von Nazis am Breitenloher Berg ermordeter Soldat habe nur durch die Privataktion von Metzgermeister Rudolf Höring eine Erinnerung bekommen. Ein Gedenkkreuz steht jetzt dort. Der junge Soldat Herbert Susel war von einem Standgericht erhängt worden. rg
Zwei aktuelle Beiträge im Blatt, nämlich
30 Millionen Akten dokumentieren NS-Verbrechen
und
Rolle Alfried Krupps in NS-Zeit wird weiter erforscht
haben mich an die Bedeutung von Archiven für die Aufarbeitung der häufig ungesühnten NS-Verbrechen erinnert - und eine große Hilfe für diejenigen, welche sich auch heute noch für das das Schicksal Zehntausender interessieren, welche in den sogenannten Todesmärschen kurz vor Kriegsende auch durch die Dörfer und Städte der Region Coburg/Kronach getrieben wurden, sind die beim ITS in Bad Arolsen aufbewahrten Fragebögen, welche die Bürgermeister sämtlicher Orte auf Anweisung der Landratsämter auszufüllen hatten:
Woher- wohin – wie viele – Opfer und Augenzeugen.
Dabei wurden neben korrekten Angaben auch die abenteuerlichsten Angaben abgeliefert – vielleicht, um das Desinteresse oder gar das Mittun und die Mitverantwortung der einheimischen Bevölkerung zu kaschieren, wenn zB zu lesen ist, dass im Jahr 1947 bereits Herkunft und Ziel „unbekannt“ seien, wie in einem Ort im Frankenwals zu lesen war:
Woher; aus Osten – wohin: nach Westen.
Dass es genauer ging, das zeigt hingegen ein anscheinend bisher unbekannt gewesener Fragebogen aus Ludwigsstadt, welchen ich dem Archiv und der Stadt Ludwigsstadt schon vor Jahren zur Verfügung stellen konnte: darin heißt es, dass die gesamte ortsansässige Bevölkerung Augenzeuge eines Todesmarsches – wohl dem der Häftlinge aus dem Sonneberger Zahnradwerk über Ebersdorf auf dem Weg in Richtung Ottendorf und Laura/Lehesten – gewesen sei, während es aus anderen Orten hieß, Augenzeugen hätte es gar keine gegeben – häufig nachweislich falsch.
Aber nicht nur Dokumente zu den Todesmärschen und zu den Tausenden unterwegs Ermordeter sind dort nachzufragen, sondern Angaben zu den ebenfalls Tausenden von Zwangsarbeitern, Frauen und Männer aus den von den Nazis überfallenen Ländern im Osten, aber auch im Westen...
30. Juli 2023
Horst Mohr, Berlin und Nordhalben.
Fortsetzung
...welche hier die Arbeitskraft der einheimischen Soldaten ersetzen sollten, welche zur selben Zeit dort Dörfer und Städte ausraubten und niederbrannten; zu Stockheim und dem dortigen Bergwerk, Anlass für zahlreiche Beiträge im Blatt wie
Als in der Stockheimer Zeche die Kohle ausging
zB konnte ich Angaben zu den im Bergwerk eingesetzten Zwangsarbeitern einsehen und der Gemeinde zur Verfügung stellen – Geschichten wie diese gibt es jedenfalls auch heute noch aufzuklären; eine Aufgabe für Heimatforscher, aber vor allem für die Schüler der Region:
ob diese angesichts der zahlreichen aktuellen Bilder von Abschlussklassen in der Region jemals im Unterricht diese Themen behandelt erhielten, wie auch die Schicksale der fast einhundert Euthanasieopfer aus dem Landkreis KC?
Ein Dankeschön an Herrn Glissnik, dass er auch an diese beiden Themen erinnert hat -
den am Schicksal der in diesem Beitrag erwähnten Opfer der Todesmärsche und am Gedenken an sie Interessierten sei die Lektüre dieser beiden Bücher aus Thüringen und Sachsen empfohlen:
„VVN Thüringen, Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstands und der Verfolgung 1933-1945. 2003“ und „NS-Terror und Verfolgung in Sachsen – Von den frühen Konzentrationslagern bis zu den Todesmärschen. Dresden 2018“; Ähnliches gibt es für unsere Region bis heute nicht einmal in Ansätzen – was natürlich die Frage nach dem Interesse hieran aufwerfen muss. Aber vielleicht hat ja die Veranstaltung am 4. März in Wallenfels dazu beigetragen, dass diese Fragen in einem größeren Rahmen und mit entsprechender Vorbereitung aufbereitet werden können; der Beitrag über den Vortrag von Herrn Fritz – der FT beeichtete 2014 – war ein Auslöser für mich.
Was jedoch diese Darstellung – „Der Oberlangenstadter Bürgermeister Adam Ruff hatte aufgrund der „Rassenhygiene“ veranlasst, dass aus Oberlangenstadt ein behindertes Mädchen und ein behinderter junger Mann in Konzentrationslager kamen und ermordet wurden“ – betrifft, so kann ich gerne versuchen, bei der Aufklärung behilflich zu sein, sofern die Namen bekannt sein sollten – mir liegen dazu etwa 60 Namen aus über 30 Orten des Landkreises zu in den Tötungsanstalten von Bernburg bis Sonnenstein Ermordeten vor.
Und zur Erinnerung an Herbert Susel am Breitenloher Berg ist zu ergänzen, dass an den in Nordhalben erschossenen Willibald Frischmannn aus Wien zwar ein Kreuz an einer Birke in der Nähe seines Hinrichtungsorts erinnert – siehe Fränkischer Tag vom 10. Mai 2016 - seinen Namen trägt es jedoch bis heute nicht.