Schicht für Schicht wächst auf dem ehemaligen Maxschacht ein Projekt heran, das in der Form in Bayern noch nicht existiert. Der FC Stockheim hat sich bei seinem Kunstrasenplatz für die Umwelt und gegen Mikroplastik entschieden.
Bastian Sünkel Eine Grätsche und alles wird dunkel. Kohlrabenschwarz haben die Spieler regelmäßig den Trainingsplatz des 1. FC Stockheim verlassen, erzählt Markus Nickol, einer derjenigen Vereinsfunktionäre, die dafür sorgen, dass niemand nach dem Training mehr die Wurzelbürste unter der Dusche auspacken muss. Da hinten - er zeigt vorbei am Schützenhaus - das war der Maxschacht, sagt er. Dort haben die Kumpels bis 1911 aus 300 Metern Tiefe die Steinkohle ans Tageslicht gefördert. Der Trainingsplatz steht auf dem alten Bergwerk und darunter liegt: Kohle. "Wir haben früher erst einmal die Steine vom Platz aufgelesen, bevor wir trainieren konnten", erzählt er.
Split und Granulat
Seit die Stollen dicht sind, hat sich der Berg verändert. Eigentlich wäre Schützenfest. Markus Nickol und Andreas Scherbel zeigen in die Leere. Dieses Jahr gibt es keine bierseligen Gäste. Niemand muss das Wort Corona aussprechen, damit man es versteht. Stattdessen reihen sich drei-Mann-mächtige, weiße Granulatsäcke zwischen Schützenhaus und Sportplatz aneinander. Ein Lastwagen voll Split rollt an und Arbeiter streifen am Rand des Feldes entlang. Markus Nickol und Andreas Scherbel sind zwei der Organisatoren, die am Freitag in Arbeitskleidung den Bau koordinieren.
Seit 2018 steckt das Organisationsteam des FC Stockheim in den Planungen. Die eineinhalb Sportplätze, die dem Verein und der JFG Grün-Weiß Frankenwald - der Jugendkooperation mit dem SV Friesen - zur Verfügung standen, haben schlichtweg nicht mehr ausgereicht, um 13 Jugendmannschaften und zwei Männerteams geeignete Trainingsbedingungen zu ermöglichen. Der Wunsch war geboren, einen neuen Sportplatz anzulegen - ohne Kohlestücke unterhalb der Grasnarbe.
Ein Kunstrasenplatz sollte es werden. Was nun allerdings heranwächst, hat mit der Kunst, dem Kunststoff als Teil des Feldes nur wenig zu tun. Der Name Ökorasenplatz mit Restplastik würde dem Projekt des FC Stockheim gerechter werden.
Die beiden Stockheimer streifen über den noch grausteinernen Untergrund und Markus Nickol zählt auf: eine Filterschicht, eine Tragschicht über die er gerade läuft. Feinplanie, alles walmdachförmig angelegt, damit das Wasser zu den Seiten abläuft. Split, der gerade im Lastwagen anrückt, und Gummi aus recycelten Autoreifen, der mit dem Split vermischt wird. Und schließlich das, was man am Ende sieht und bespielt: ein Rasen. Zu 60 Prozent aus Bio-Zuckerrohr-Ethylen, zu 40 Prozent aus synthetischen Polyethylen. Abschließend wird das Kork-Quarzsand-Granulat eingestreut und dann hat Kronach, ja sogar Bayern, seinen ersten Kunstrasenplatz im Bioformat.
Wo die drei Regierungsbezirke Oberbayern, Schwaben und Mittelfranken aneinanderstoßen, hat die Firma Polytan ihren Sitz. Im oberbayerischen Burgheim, Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, werden seit Jahrzehnten Kunstrasenplätze geplant, in Nordrhein-Westfalen gefertigt. Tobias Müller ist der Marketing- und Kommunikationsleiter des Unternehmens und überlegt kurz, wo dieser Platz mit dem zungenbrecherischen Namen Ligaturf Cross GT bereits existiert. Einer im Saarland, zwei in Berlin, einer in Duisburg - und bald, Anfang August, in Bayern.
Erst vor einem Jahr hat die Firma die neue Rasenzusammensetzung auf einer Messe vorgestellt, "als es noch Messen gab", sagt er. Damit sei Polytan einer noch ausstehenden Entscheidung der Europäischen Union zuvor gekommen. Im Zuge der Umweltpolitik liegt der EU eine Empfehlung der europäischen Chemie-Agentur ECHA vor, der Kunststoff-Granulat und Infill-Material verbieten lassen will. Ab 2027 könnte dieses Verbot in Kraft treten, erklärt der Marketingmitarbeiter. Dann werden keine Kunstrasenplätze mit Plastikgranulat mehr angelegt. Die fertigen fallen hingegen unter Bestandsschutz. Auch das Fraunhofer-Institut hat 2019 vor dem starken Mikroplastikaufkommen durch das Granulat gewarnt.