Kopfschütteln beim Urteil

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Hat ein 26-Jähriger in einer ihm missliebigen Firma einen Betrug begangen?

Freunde werden sie nicht mehr - der einstige Chef und sein einstiger Mitarbeiter. Mit gewissem Widerwillen begegneten sich die beiden Männer am Dienstag im Saal 14 des Amtsgerichts. Was es zu klären galt, war die Frage, ob sich zwischen ihnen ein Betrugsvorfall ereignet hat. Gegenüber diesem sollten die gleichfalls angeklagten Beleidigungen in den Hintergrund treten.

Am 5. Juli 2018, so die Anklage, habe sich der heute 26-jährige Lichtenfelser telefonisch bei seiner alten Firma gemeldet, diese einen "Scheißverein" und "Sauhaufen" genannt, und auch für seinen Chef noch ein Prädikat übrig gehabt. Doch schwerer wog für Staatsanwalt Mario Geyer ein nachmittäglicher Vorfall sechs Wochen zuvor. Da nämlich habe der Angeklagte über einen Computer, eigentümlicherweise mit einem Download-Programm zur Berechnung von Lohn und Gehalt, eine Warenbestellung aufgegeben und diese von der Firma bezahlen lassen. Von 85 Euro war die Rede. Warum sollte einen Schweißer ein so spezielles Programm interessieren?

Als der Angeklagte zu den Hintergründen seines Anrufs sprach, da erwähnte er, dass sein Monatslohn damals noch ausgestanden habe. Als er sich dann bei seinem Chef nach dem Verbleib erkundigt habe, hätte dieser ihn an seine Sekretärin verwiesen und außerdem soll seitens des Chefs der Satz gefallen sein: "Ich mach' dich fertig, du Arschloch." Zu den Betrugsvorwürfen äußert sich der Mann entschieden: "Das war ich nicht, definitiv nicht." Auch sein Rechtsanwalt Michael Windisch bekräftigte, dass sein Mandant nichts bestellt habe.

Keines Blickes gewürdigt

Dann begann die Beweisaufnahme, bei der eine Polizeibeamtin sich des Chefs erinnerte. Der sei zur Anzeigenerstattung auf die Wache gekommen und das setzte in Gang, dass man auch den Beschuldigten habe zum Sachverhalt hören wollen. "Wir haben ihn vorgeladen, aber er ist nicht gekommen", so die Beamtin sich erinnernd. Dann betrat der einstige Chef den Saal, und jetzt war auffällig, dass die beiden Männer kaum Blicke für einander übrig hatten.

"Sie kennen ihn?", erkundigte sich Richterin Jensch bei dem 53-Jährigen. "Leider", war dessen Antwort. Wie es damals genau zur Anzeige kam, dazu könne er keine Angaben mehr machen, so der Unternehmer. Auch auf die richterliche Frage, was genau er sich habe am Telefon anhören dürfen, winkte er ab. "Der gute Mann ist mit seinem Leben genug bestraft, von daher kann er mich gern haben." Auch wenn sich der Unternehmer deutlich äußerte, so blieb es noch diplomatisch, und er sollte alles in allem wenig Belastungseifer an den Tag legen. Einen bezeichnenden Satz sollte er aber noch loswerden: "Es ist (...) heute so, dass wenn er anruft, wird das Telefon auf laut gestellt."

Was Rechtsanwalt Michael Windisch interessierte, war die Frage, ob sein Mandant womöglich gar nicht der Inhaber der Firmenadresse ist, unter der das Programm bestellt wurde. Oder andersrum: Hat man ihm was angehängt? Eigenwillig empfand es Windisch auch, dass der Unternehmer den Preis für das Download-Programm auch bezahlt hatte. Dessen Argument dafür: "Für mich ist Zeit wertvoller, als den 100 Euro hinterherzurennen." Mit Buchhalterischem befasse er sich nicht, so der Mann weiter. Allzu präzise Angaben zu dem einstigen Vorfall könne er nicht mehr machen, so der Hauptzeuge. Doch was er noch wusste, war, dass es "ein Artikel war, den unsere Firma nicht braucht". Windisch hakte nach: "Wie sind Sie darauf gekommen, dass es mein Mandant war?" Die Antwort fiel kurz, knapp und auch ein bisschen unleidlich aus. Die Firma, bei der bestellt wurde, habe sich von selbst gemeldet und dabei das Absender-Mail genannt. Ab jetzt gab der Lichtenfelser Unternehmer aber eine zeitweise etwas unglückliche Figur ab, beantwortete er Windischs Fragen doch sichtlich unwillig.

Beredt war dafür womöglich das Bundeszentralregister, welches zu seinem einstigen Mitarbeiter fünf Einträge bereithielt. Das Erschleichen von Leistungen fiel ebenso darunter wie ein räuberischer Diebstahl samt Urkundenfälschung oder Diebstahl. Vor allem sollte bemerkt werden, dass der Angeklagte während des Tatzeitraums noch unter Bewährung stand. Dass ihm jemand "was anhängen wollte", sei wohl "nicht ernsthaft zu glauben", befand Geyer und plädierte für eine Geldstrafe in Höhe von 2700 Euro.

Windisch hingegen gab zu bedenken, dass sein Mandant doch keinen Bedarf an einem Lohn- und Gehaltsprogramm haben könnte. "Was will denn der mit einem Buchhalterprogramm?" Und während sein Mandant schlichtweg starr in eine Richtung blickte, hielt Windisch fest, dass man auch einen Eindruck von seinem einstigen Chef bekommen habe, der sei "kein guter (Eindruck)" und man wisse nicht, "wer da welches Süppchen kocht". Windisch forderte einen Freispruch, denn "irgendwas ist da nicht ganz koscher".

Das mit de Freispruch sollte nichts werden. Zu 1050 Euro Geldstrafe wurde der einstige Firmenmitarbeiter wegen Computerbetrugs verurteilt. Er quittierte das Urteil mit Kopfschütteln. Seinem einstigen Chef bedeutete es nichts, der Urteilsverkündung beizuwohnen, er verließ den Saal justament nach seiner Zeugenaussage.