Premiere Mit den "Unzertrennlichen" hat das Theater im Gärtnerviertel ein Mischwesen aus Improvisation und Inszenierung geschaffen. Was als Klamauk beginnt, endet als Drama.
von unserem Redaktionsmitglied
Rudolf Görtler
Bamberg — Es ist ein Szenario, wie wenn Rainald Grebes Lied "Dreißigjährige Pärchen" visualisiert worden wäre. Wobei im Musikzimmer der Klangwerkstatt Schwenk & Seggelke in der Königstraße ein Pärchen, Marina (Olga Seehafer) und Günther (Thomas Paulmann, er schrieb auch "Die Unzertrennlichen"), auf der kargen Bühne agiert, die andern - sitzen im Publikum.
Denn es ist der Clou von Nina Lorenz' Inszenierung, dass das Publikum in dicht gedrängten Reihen die Rolle der Gäste von Günther und Marina einnimmt, dass es immer wieder mal angesprochen wird, Stichworte - etwa "erster Kuss" - geben darf und somit Handlung und Text modifiziert. Eine Art Improvisationstheater also, wobei die Akteure in dem Zwei-Personen-Ehedrama nicht die Rollen wechseln.
Kann das gutgehen? Nach der ersten Hälfte des knapp eineinhalbstündigen Stücks ist man sich nicht so sicher. Zu affig erscheint diese Marina, zu klamaukig geraten die vom Publikum begeistert aufgenommenen Impro-Impulse. Dann gerät man doch in den Sog dieses analytischen Dramas. Denn nach und nach entblößen sich die brodelnden Psychen des frühverspießerten Paars.
Kleine Irritationen wie die selbst gebackenen Zimtsterne Marinas - ein Christbaum auf der Bühne signalisiert Adventszeit, die Plüsch-Papageien Puschel und Kuschel hängen im Käfig als Symbole ewiger, unzertrennlicher Liebe - wachsen sich aus zu einer handfesten Tragödie, deren Schluss hier natürlich nicht verraten wird. Nur so viel: Es endet schlimm, aber nicht hoffnungslos.
Kein erbarmungsloser Ehekrieg wie in Strindbergs "Totentanz" oder Albees "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" ist zu sehen; die Wahrheit hinter der zuckersüßen Fassade kommt eher auf leisen Pfoten daher.
Geschickt zieht Autor Paulmann die Zuschauer in dieses Psychodrama hinein. Da ist der Nachbars-Bengel, der im Garten randaliert, da ist das ewig nicht aufgebaute Gästebett. Paulmann setzt treffsicher infame Pointen wie den "Macbeth" im Kindertheater. Ergänzt und dann wieder konterkariert wird das Geschehen durch etliche Songs von der Münchner Freiheit über Zarah Leander bis hin zu Helge Schneiders "Sei nicht traurig, kleiner Meisenmann". Jakob Fischer zupft und schlägt das auf der Gitarre, singt mal solo, mal vereint mit den beiden Protagonisten und steht und sitzt sonst als unsichtbarer Dritter stoisch auf der Bühne herum.
Zwei hervorragende, sich steigernde Schauspieler machen den Wandel von der Klamotte zur Tragödie
überaus glaubhaft. Ja, das Theater im Gärtnerviertel hat es wieder einmal geschafft. Wer kennte die gesungenen und gespielten "Risse in der Seele" nicht? Was vielleicht allzu leicht begann, endet dann doch mit gehöriger, jedoch nicht beschwerlicher Tiefe.
Weitere Vorstellungen am 2., 3., 4., 8., 9., 12., 16., 17., 18. Dezember in der Klangwerkstatt Schwenk & Seggelke, Obere Königstr. 15. Karten bei Betten-Friedrich, Obere Königstr. 4, Tel. 27578, und beim BVD, Tel. 9808220