Jetzt erst recht beim AC Lichtenfels

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Nach dem verpassten Aufstieg von der Bayern- in die Oberliga setzt der Traditionsverein neu an. Ein Gespräch mit den Vorsitzenden Oliver Dürr und Stefan Mehl.

Der Plan war klar. Nach dem freiwilligen Rückzug aus der Bundesliga in die Bayernliga wollten die Ringer des AC Lichtenfels in der Saison 2015 gleich in die Oberliga aufsteigen. Die Rechnung hatten sie aber ohne den Wirt, sprich den TV Au/Hallertau, gemacht. Am Ende blieb die Ernüchterung über Rang 2. Warum es nichts wurde mit dem Aufstieg, warum es im zweiten Versuch klappen sollte und über die Zukunft des Traditionsklubs aus der Deutschen Korbstadt unterhielten wir uns mit dem Ersten und Zweiten Vorsitzenden, Oliver Dürr und Stefan Mehl.

Wie fällt Ihr sportliches Fazit der vergangenen Saison aus?
Stefan Mehl: Der verpasste Aufstieg in die Oberliga war schon eine Enttäuschung. Die Erwartung war schon da, dass wir aufsteigen. Dass das nicht so einfach wird, wie sich einige gedacht hatten, das sei mal dahingestellt. Trotzdem waren wir enttäuscht, dass es nicht geklappt hat. Wir haben uns dann zusammengesetzt und uns selbstkritisch gefragt: Was ist unser Anteil daran? Es war ja nicht nur so, dass es mit Au einen überraschend starken Gegner gegeben hat, sondern es waren auch Faktoren, die wir uns selbst auf die Fahnen schreiben müssen.
Oliver Dürr: Au hatte einen entscheidenden Vorteil. Die Auer bekamen einen Flüchtling aus Afghanistan, der immer vier Punkte eingefahren hat. Ohne ihn hätten sie wohl den ein oder anderen Kampf noch verloren.

Und wo haben Sie Fehler gemacht?
Dürr: Fakt ist - wir hatten viel Verletzungspech. So haben wir etwa in der 86-Kilo-Freistil-Klasse Christian Merkel eingeplant und als Backup Sergej Einik. Merkel hat sich im zweiten Kampf verletzt und Einik fiel dann nach seinem ersten Einsatz verletzt aus. Da haben wir dann Leute aus der zweiten Mannschaft einsetzen müssen, die chancenlos waren und stets vier Punkte abgegeben haben. Das ist bei diesem Reglement nur schwer aufzuholen.
Mehl: Diese extreme Verletzungsserie, die wir vor ein paar Jahren in der Bundesliga hatten, hat ausgerechnet in unserem ersten Bayernligajahr sicher eine wesentliche Rolle gespielt. So war der Kampf in Au lange knapp. Bis zum Duell von Tobias Schütz. Hier wurde der Gegner wohl unterschätzt. Eine Kopfsache, wenn man auf die Matte geht und denkt, man hat schon gewonnen. Der Kampf war typisch. Davon hatten wir drei oder vier. So verlor auch Venelin Venkov mal nach einer klaren Führung auf Schultern. Soche individuellen Fehler haben mit der Verletzungsmisere dazu geführt, dass zwei Auswärtskämpfe - in Au und Unterföhrling - verloren wurden, die man nicht hätte verlieren müssen. Das waren die entscheidenden Begegnungen. Beim Rückkampf von Au bei uns war der Gegner allerdings klar besser.

Gibt es im Verein eine Jetzt-erst-recht-Mentalität, den Aufstieg in diesem Jahr zu schaffen?
Mehl: Ja, kann man schon sagen. Wir haben mit allen offen geredet. Woran liegt's und haben wir alle das gleiche Ziel? Nicht dass der ein oder andere sagt, mit der Bayernliga bin ich zufrieden, da muss ich mich nicht so anstrengen, und die Zuschauer kommen trotzdem. Wir haben uns aber alle darauf geeinigt, wir wollen aufsteigen und es muss das Ziel des Vereins sein, in der Oberliga zu ringen.
Dürr: Wir waren Jahrzehnte in der Oberliga. Die Bundesliga oder 2. Liga ist nicht erstrebenswert. Die Oberliga ist die höchste Amateurklasse und da gehören wir hin.

Wie wollen Sie dieses Ziel realisieren?
Mehl: Eines haben wir schon gesagt: breiter aufstellen. Jeder Ringer muss das mitragen und wissen, dass jeder einzelne Kampf wichtig ist in einem engen Mannschaftswettbewerb. Eines möchte ich aber betonen: In den letzten Jahren hatten wir nie einen so guten Teamgeist wie in der abgelaufenen Saison. Die Mannschaft ist sehr viel stärker zusammengewachsen, und wir fördern das auch bewusst. Das ist ein Teil des Vereins, und was den AC in der Vergangenheit ausgemacht hat. Das ist in den Bundesligajahren ein Stück weit verloren gegangen, weil natürlich viele Leute von außen nur zu den Kämpfen eingeflogen wurden. Es gab aber auch andere Gründe. Und jetzt - das haben alle festgestellt - ist wieder ein Teamgeist da, eine wichtige Grundlage.

Breiter aufstellen ist ein schönes Ziel. Aber Ringer wachsen ja nicht auf Bäumen. Woher nimmt man die, wenn man sie nicht selber ausgebildet hat?
Dürr: Es gibt drei Möglichkeiten. Auf lange Sicht - drei bis fünf Jahre - wollen wir wieder einen Fokus auf die Jugendarbeit legen, verstärkt selbst ausbilden und junge Lichtenfelser und aus der Umgebung in die Mannschaft integrieren. Punkt 2 ist, dass man deutsche Ringer aus anderen Vereinen bekommt. Und als dritte Möglichkeit, kann man die Suche aufs Ausland ausdehnen. Kurzfristig sind nur die beiden letzten Alternativen für uns auf der Suche nach Verstärkungen relevant.
Was direkt mit den wirtschafltichen Möglichkeiten des Vereins in Verbindung steht.
Mehl: Wir haben unsere Finanzen so weit in Ordnung gebracht, dass wir in der neuen Saison auf einem stabilen finanziellen Fundament aufsetzen können und damit in der Lage sind, eine Bayern- oder Oberliga finaziell zu stemmen. Klar ist, dass wir uns um unsere Sponsoren kümmern müssen. Die wollen auch für ihre Unterstützung einen Rückfluss im Form von Erfolg und Öffentlichkeit.

Wie ist es wirtschaftlich um den ACL bestellt?
Mehl: In den vergangenen Jahren sind für uns überraschend ein paar Altlasten hochgeploppt, die wir erst einmal bewältigen mussten. Das war ein guter mittlerer fünfstelliger Betrag.
Dürr: Das waren nicht Sozialversicherungsbeiträge, sondern etwa Umsatzsteuernachzahlungen oder die hohe Strafe für den Rückzug aus der Bundesliga an den Verband. Diese Baustellen mussten wir erst schließen.
Mehl: Da sind fünf, sechs Jahre alte Sachen aufgetaucht. Da war - das müssen wir zugeben - der Verein in der Vergangenheit mit dem Bundesligabetrieb einfach überfordert. Es waren zu wenige Leute, die das Ganze verantwortlich tragen mussten. Da hat man den Überblick verloren oder Sachen liegen gelassen, in der Hoffnung, dass sie sich von selbst erledigen. Nur - Dinge, die mit Verwaltungen zu tun haben, erledigen sich in der Regel nicht von allein. Das Finanzamt sitzt man nicht aus.

Kommen wir auf's Thema zurück, den Kader breiter aufzustellen. Sind schon Veränderungen in der Mannschaft bekannt?
Dürr: Eines ist klar. Es wird keinen Abgang geben. Die erste Mannschaft bleibt zusammen. Mit diversen möglichen Neuzugängen sind wir in Gesprächen, da ist aber noch nichts spruchreif.
Mehl: Mit einem Ringer für das Halbschwer- und Schwergewicht stehen wir kurz vor einem Vertragsabschluss, wollen aber vorab noch nichts an die Öffentlichkeit geben.
Dürr: 103 Kilo hat er, mehr verraten wir nicht.
Mehl: Optimal, um beide Gewichtsklassen, 98 und bis 130 Kilo, zu ringen. Aber auch für die 57- bzw. 61-Kilo-Klasse sind wir intensiv auf der Suche, um noch eine Alternative zu haben. Mario Petrov ist zwar ein sehr talentierter, aber noch unerfahrener junger Mann mit 16 Jahren, aber es dauert noch, bis er bei den Männern voll mitmischen kann. Die Zeit wollen wir ihm auch geben. Einfach ist es allerdings nicht, gute deutsche Nachwuchsringer zu finden. Die werden auch von den Bundesligaklubs umworben, teilweise mit Summen, die jenseits von Gut und Böse sind.

Bleibt Ali Hadidi als Trainer?
Mehl: Ja. Ali hat es im letzten Jahr sehr viel Spaß gemacht, weil er gesehen hat, wie sich der Teamgeist entwickelt hat. Natürlich war auch er enttäuscht, dass der Aufstieg nicht gelungen ist, aber er ist so mit Leidenschaft dabei. Die Ringer mögen ihn alle. Wir können uns keinen Grund vorstellen, auf dem Trainerposten einen Wechsel vorzunehmen.

Wie ist es um den Nachwuchs beim AC Lichtenfels bestellt? Gibt es Zulauf?
Dürr: Ja, Zulauf gibt es. Wir haben begonnen, verstärkt auf die Jugend zuzugehen. Das ist leider in den vergangenen Jahren aufgrund der Konzentration der Kräfte auf die Bundesliga etwas auf der Strecke geblieben.
Mehl: Ein Verein kann sich langfristig nur erhalten, wenn er regelmäßig Nachwuchs hat. Wir haben unter den 400 Mitgliedern einen Altersdurchschnitt von 45 Jahren, da kann man sich ausrechnen, wann der letzte hier zuschließt. Um zusätzlich Leute in den Verein zu bekommen, haben wir im Vorstand besprochen, dass wir eine Eltern-Kind-Gruppe gründen wollen, zu der Eltern mit ihren kleinen Kindern kommen können, nicht um zu ringen, sondern um Bewegungsübungen zu machen. Wir wollen die Einstiegsschwelle niedrig setzen. Und wenn keine Ringer dabei rauspurzeln, dann vielleicht Eltern oder andere junge Leute, die als Helfer, Kampfrichter oder sonst etwas mitarbeiten. Der Verein muss jünger werden, und das ist ein neues Angebot.
Das Gespräch führte unser
Redaktionsmitglied Udo Schilling