Es ist stiller geworden in Wallenfels. Die Auswirkungen der Pandemie verlangsamen auch im abgelegenen Rodachtal das tägliche Leben. Weniger Verkehr, weniger Menschen als sonst auf den Straßen. Dafür t...
Es ist stiller geworden in Wallenfels. Die Auswirkungen der Pandemie verlangsamen auch im abgelegenen Rodachtal das tägliche Leben. Weniger Verkehr, weniger Menschen als sonst auf den Straßen. Dafür treten andere Geräusche plötzlich umso deutlicher hervor. Dazu zählt z.B. das Glockenläuten zum Morgen-, Mittags- und Abendgebet. Wenn an den Kartagen die Glocken schweigen, rufen die von den Ministranten bedienten Ratschen zu den Gebeten. Doch in diesem Jahr war alles anders.
Man konnte sich nicht an den bekannten zentralen Plätzen vor der Kirche, von der Schlossbergkapelle oder dem "Schießhäusla" treffen und mit den Ratschen lautstark zum Gebet aufrufen. Eine Lösung musste her. Und so haben die Wallenfelser Ministranten wie auch in Steinwiesen und anderen Gemeinden aus der Not eine Tugend gemacht und im Ausnahmejahr 2020 von zu Hause aus geratscht.
Die Aktion der Wallenfelser Messdiener animierte Geschwister und Nachbarn zum Mitmachen. Dabei kam der Klang der Klappern auch zu Einwohnern, die den Lärm an den Kartagen sonst nicht oder nur aus der Ferne hören. Neben irritierten Blicken und Kopfschütteln ernteten die engagierten Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen viel Lob und sogar Applaus
Viele ältere Mitmenschen, gerade die treuen Gottesdienstbesucher, die aus Sorge vor einer Ansteckung lieber zu Hause bleiben, zeigten sich positiv überrascht. Maik Förner (20) hat sich als aktiver Ministrant an der Aktion beteiligt und berichtet von den Reaktionen aus seiner Nachbarschaft: "Ein paar Nachbarn haben ihre alten Ratschen aus der Kiste geholt und mitgemacht!" Auch die erwachsenen Ministranten haben wieder eine Ratsche in die Hand genommen und die Jüngeren unterstützt. Selbst die Allerjüngsten wurden zum Mitmachen animiert. Wozu die alte Ratsche im Haus gebraucht wird, weiß Maiks Nachbar Lennis jetzt auch - und ist mit Eifer bei der Sache: "Heut ist wieder Klappertag!", konstatierte der Vierjährige am Karsamstag. Erich (13) und Oskar (11) haben ihren Schwestern kurzerhand auch Klappern in die Hände gedrückt.
Insgesamt, so resümiert "Mini-Papa" Werner Stumpf, hatten alle Minis viel Freude bei der Aktion, wie die Videos, Fotos und Nachrichten in der Chatgruppe dokumentieren. Die Minis werden sich, wenn die Umstände es wieder erlauben, also auch in diesem Jahr auf der größten Ratsche schriftlich verewigen können.
Vereinzelt gab es jedoch auch ablehnende Reaktionen, die Stumpf nicht verschweigen will und mit denen die Ministranten zurechtkommen mussten. Irritierte Blicke, verärgerte Nachbarn, Kopfschütteln und sogar eine Drohung. All das zeigt, dass auch in der traditionsbewussten Flößerstadt gelebtes Brauchtum nicht länger selbstverständlich ist. Allerdings könnte die Krise diesbezüglich auch etwas Gutes bewirkt haben. Vielleicht hat die Ratsch-Aktion 2020 manchen zum Nachdenken gebracht - über den Hintergrund dieses alten Brauches.
Auch auf einen Kreuzweg mussten die Wallenfelser nicht verzichten. Am Karfreitagvormittag gestalten die Minis normalerweise einen Kreuzweg. In diesem Jahr war das nicht möglich. So wurden die Texte kurzerhand über eine Lautsprecheranlage von der Kirchenmauer aus in die Wallenfelser Stadtmitte "übertragen". Die Rückmeldungen ließen nicht lange auf sich warten. Einige Nachrichten, die Stumpf erhalten hat, zeigen, wie schmerzlich viele Gläubige das pfarrgemeindliche Leben vermissen. sd