Die Nazivergangenheit in seiner alten Heimatgemeinde treibt Horst Mohr um. Der seit Jahrzehnten in Berlin lebende Ex-Nordhalbener, der lange auch als ehrena...
Die Nazivergangenheit in seiner alten Heimatgemeinde treibt Horst Mohr um. Der seit Jahrzehnten in Berlin lebende Ex-Nordhalbener, der lange auch als ehrenamtlicher Richter am Landessozialgericht Berlin tätig war, untersucht akribisch Quellen zu Verbrechen, die durch die damaligen Machthaber und ihre Handlager verübt wurden. Ausgangspunkt für seine Rechercheergebnisse war die Hinrichtung eines aus Österreich stammenden Soldaten, der von einem Standgericht am 10. April 1945, also unmittelbar vor dem Eintreffen der amerikanischen Alliierten, wegen angeblicher Fahnenflucht hingerichtet wurde.
Über dieses Ereignis, das den älteren Nordhalbener unter anderem durch ein einfaches Holzkreuz auf der Fichterahöhe, wo die Exekution stattfand, noch in Erinnerung ist, berichteten mehrere örtliche Quellen. Jedoch wurde die Tat unisono dem durch seine gnadenlosen Hetzjagden in den letzten Kriegstagen berüchtigten "Standgericht Helm" zugeschrieben. Weiterhin waren nähere Umstände, so etwaige Beteiligte der örtlichen Parteiorganisationen, unbekannt. Auch der Name des Getöteten und dessen Verbleib waren zunächst im Ort nicht mehr präsent. Mohr suchte vor Ort, über das Internet und durch Anfragen bei autorisierten Quellen in den verschiedenen Archiven nach Informationen zu dem Fall. Neben dem Namen des damaligen Luftwaffen-Gefreiten Willibald Frischmann fand er 2014 auch heraus, dass ein anderer, nämlich höchstwahrscheinlich der Kriegsrichter Karl Eglseer für dessen standrechtliche Verurteilung und Hinrichtung verantwortlich zeichnete. Der Leichnam des Soldaten wurde später vom Friedhof in Nordhalben zu einer Kriegsgräberstätte nach Treuchtlingen überführt. Diese Ergebnisse fügte Mohr in einer Broschüre zusammen, die er im Rahmen einer Abendveranstaltung der Frankenwaldvereins-Ortsgruppe im vollbesetzten Gasthaus "Christoph" präsentierte. Dabei stellte er auch Fragen in die Runde, auf die er vor allem bei den noch lebenden Zeitzeugen bislang keine Antworten bekommen hatte. Die erhofft er sich jedoch noch, zumal er mit einigen Augenzeugen des Geschehens in Verbindung steht. Bei seinen Nachforschungen war Mohr auch auf andere Verbrechen gestoßen, die die Nazis und ihre örtlichen Ausführenden im Ort verübt hatten. So die Erschießung eines italienischen Zwangsarbeiters bei dessen angeblicher Flucht, ebenso der ungeklärte Tod eines polnischen Zwangsarbeiters, aber auch die wahrscheinliche Ermordung von Euthanasieopfern aus Nordhalben.
nn
Und am 8. Mai 2024 war es dann endlich doch so weit:
mit Bürgermeister Pöhnlein konnte ich die Gedenktafel enthüllen, auf welcher nicht nur an den hingerichteten Österreicher Willibald Frischmann, sondern auch an den von Nordhalbener Polizisten beim damaligen Nachbarort Heinersberg "auf der Flucht" erschossenen italienischen Buchenwald-Häftling und auch an fünf Nordhalbener Euthanasieopfer erinnert wird!
Dazu Reden von am Thema Interessierten und Grußworte, von Bremen über Frankfurt und München bis Wien - Näheres hier im FT:
https://www.fraenkischertag.de/lokales/kronach/politik/eine-gedenktafel-erinnert-jetzt-an-die-opfer-des-naziregimes-in-nordhalben-art-350941
5 Jahre nach diesem Beitrag
trägt das im Mai 2016 angebrachte und inzwischen fast unsichtbare Kreuz nahe des damaligen Hinrichtungsorts immer noch kein Schild, welches auf den Anlass hinweist, geschweige denn den Namen des Opfers oder der für die Erschießung Verantwortlichen.
Aber immerhin - siehe Fränkischer Tag zuletzt vom 6.8. unter "Debatte um Denkmal" - will der Gemeinderat am örtlichen "Kriegerdenkmal" auch eine Tafel mit dem Namen von Willibald Frischmann und eventueller weiterer Nordhalbenr Kriegsopfer anbringen lassen:
eine gute Gelegenheit, darüber nachzudenken, welcher Opfer dort gedacht werden sollte.
Berlin, 16. August 2022