Eine Lesung mit Ingo Cesaro in Steinwiesen und zwei Berliner Veranstaltungen, an welchen der gebürtige Nordhalbener Horst Mohr teilnehmen konnte, haben ihn bewegt. Der Heimatkundler spricht von der Kranzniederlegung am Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen "Euthanasie"-Morde in Berlin und einer Gedenkveranstaltung für die meist unbekannten Euthanasietoten auf dem ehemaligen Anstaltsfriedhof der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik.

"Sie brachten mir eine weitere Opfergruppe des NS-Regimes aus dem Landkreis Kronach in Erinnerung, nämlich die der Zwangssterilisierten und der offenbar in Vergessenheit geratenen Toten der T-4-Aktion in den Jahren 1940/41", erzählt er. Darum wendete er sich mit diesem Bericht an unsere Zeitung.

"Auslese" und "Ausmerze" seien zwei zentrale Themen der NS-Ideologie gewesen. Sie hätten mit dem "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" aus dem Jahr 1934 dazu geführt, dass bis 1945 etwa 400 000 Menschen unfruchtbar gemacht und etwa 250 000 aus den "Heil- und Pflegeanstalten" zumeist in Tötungsanstalten vergast wurden. "Diese Morde bildeten den Probelauf für die fabrikmäßigen Ermordungen von Millionen Zivilisten im überfallenen Osteuropa", erinnert Mohr an die Gräueltaten.

2017 habe er in einem Vortrag in Nordhalben erste Namen Ermordeter vortragen könne. Danach habe er im Kronacher Jahrbuch von 2019 neben den Schicksalen von vier in Hartheim/Österreich und Sonnenstein/Pirna getöteten Nordhalbenern aber auch diese Rettung darstellen dürfen:

"Eine Rettungsaktion besonderer Art wird hingegen aus Nordhalben berichtet: Als die Eltern der den Älteren im Ort noch erinnerlichen "Marga" - sie soll in einem Heim in Burgkunstadt untergebracht gewesen sein - den Hinweis eines Nordhalbener NS-Funktionärs ("Die werden dort abtransportiert") erhielten, haben sie ihre Tochter dort abgeholt und "heil" durch die NS-Zeit gebracht!" (Dieser Hinweis könnte sogar vom damaligen NSDAP-Ortsgruppenleiter gekommen sein).

Mohr forschte weiter. Heute berichtet er von Erfolgen: "Inzwischen konnte ich weit über 50 Namen Ermordeter aus über 30 Ortschaften des Landkreises - von Buchbach über Lahm bis Ziegelerden - dokumentieren und auf Nachfragen hin Angehörigen und Interessierten Hinweise und auch Ergebnisse zu Gesuchten oder Verwandten geben."

Namen ermittelt

Ergebnislos seien hingegen Anfragen bei kirchlichen und weltlichen Einrichtungen gewesen, wobei er jedoch inzwischen der Überzeugung sei, dass das wiedererstandene Interesse an den Todesmärschen durch die Region - das CHW werde dazu wohl im November eine Veranstaltung in Neustadt bei Coburg durchführen - auch das Schicksal dieser NS-Opfer endlich wieder dem Vergessen entreißen kann.

"Hier deshalb zum Gedenken einige Namen aus einigen Ortschaften in abgekürzter Form: B.R. aus Dörnach, J.B. aus Kronach, F.H. aus Welitsch, K.S. aus Wallenfels, G.H. aus Weißenbrunn." Diese beispielhafte Aufzählung solle dazu beitragen, die Aufarbeitung in Gemeinden und angeschriebenen Pfarreien, aber auch in den Schulen voranzubringen - und an den Gedenksonntagen im November an den "Kriegerdenkmälern" nicht bloß der "Gefallenen" zu gedenken, sondern auch dieser Opfer des NS-Regimes.

Was die Aufarbeitung jener Jahre im Landkreis betrifft, so könnten wohl noch in diesem Jahr die Schicksale zweier in KZ zu Tode gekommener NS-Gegner ausführlicher dargestellt werden, meint Mohr, und zum Glück auch das Überleben einer Jüdin im Frankenwald, mit deren Nachkommen er korrespondiere. red