Mingus’ Psychotherapeut Edmund Pollock, vom innerlich zerrissenen Genie um Liner Notes fürs Albumcover gebeten, schrieb von der Komposition als einem „Ruf nach Akzeptanz, Respekt, Liebe, Verständnis, Kameradschaft, Freiheit“. Denn Mingus war ein Exzentriker, besessen von seiner Musik, aber stets auch ein politischer Mensch, kämpfte gegen Rassismus, von dem er selber betroffen war, gegen Ausbeutung in der Musikindustrie, gegen den Krieg („Oh Lord Don’t Let Them Drop That Atomic Bomb On Me“).
Bariton-, Alt- und Tenorsaxophon, Posaune, Tuba, Trompete, Bass, Schlagzeug, Gitarre, Piano (daran die einzige Dame des Ensembles, Marina Schlagintweit) interpretierten die vertrackte Suite kongenial. Ein Thema verschwindet, wird wieder aufgenommen, schroffe Tempiwechsel schrecken den Zuhörer auf, ebenso abrupte Stimmungsschwankungen zwischen stampfenden und lyrischen Passagen.
Eine spanische Gitarre mit Mariachi-Anklängen soll laut Pollock an die Inquisition und El Greco erinnern, so wie Mingus, der in klassischen Kompositionstechniken geschult war, diverse Einflüsse von Folklore bis Neuer Musik einfließen ließ.
Das Bariton-Saxophon, das man nicht allzu häufig hört, war mit seinem bratzigen Sound ein besonderer Genuss. Khasar Ganbaatar bediente es fast spielerisch, während sein Landsmann Otgon Amgalanbaatar am Tenorsaxophon opulente solistische Auflüge unternahm.
Denn dafür bietet „The Black Saint“ auch Raum, was die Pianistin und der aus Österreich stammende Vincent Rein am Bass demonstrierten und die Musikerkollegen allesamt. Ein beeindruckendes Hörerlebnis, das einen ganz benommen in die Pause entließ.
Mitreißend wie Rock’n’Roll
Dann aber spielte das „Goethe-Musiklabor“, teils in kleinerer Besetzung, richtig auf. Wieder Mingus, aber im besten Sinne konventioneller, mitreißend wie Rock ’n’ Roll. Klassiker wie „Moanin“ mit der eingängigen Baritonsax-Phrase am Anfang oder „Pithecanthropus Erectus“ mit Zenker selbst am Bass. Der krönende Abschluss eines Abends, der selbst in der anspruchsvollen Jazz!3-Reihe sicher als ein Höhepunkt in Erinnerung bleiben wird.