Ein unrühmliches Ende in der Gemeinderatssitzung nahm der Tagesordnungspunkt "Barrierefreiheit im Rathaus". Die WGU-Gemeinderatsfraktion hatte am 5. Februar...
Ein unrühmliches Ende in der Gemeinderatssitzung nahm der Tagesordnungspunkt "Barrierefreiheit im Rathaus".
Die WGU-Gemeinderatsfraktion hatte am 5. Februar einen Antrag zur "Wiederaufnahme und Weiterführung des Themas in der nächsten VG-Versammlung" gestellt, der am Donnerstag vom Gremium zur Kenntnis genommen wurde.
"Die Zahl der behinderten Menschen nimmt zu, und Kommunikationseinrichtungen wie das Rathaus sollten barrierefrei gestaltet werden. Die Gemeinde Untersteinach ist Hauptnutzer des Rathauses und will zusammen mit der VG nach gemeinsamen Lösungen suchen", sagte Gemeinderat Alfred Vießmann. Das Thema müsse nochmals auf die Tagesordnung der Gemeinschaftsversammlung kommen, das sei man den behinderten Mitbürgern schuldig, sagte er.
"Wir sollten Ruhe in diese Thematik kommen lassen und fair bleiben im Umgang miteinander", forderte Bürgermeister Volker Schmiechen (SPD). Laut Aussage der VG-Vorsitzenden und Ludwigschorgaster Bürgermeisterin Doris Leithner-Bisani werde derzeit die Möglichkeit des Einbaus eines Plattformliftes geprüft. Auch Geschäftsstellenleiter Martin Betz fand es gut, zur Sachlichkeit zurückzukehren. Er schlug vor, eine Brücke zu schlagen und festzustellen, ob es neue Sichtweisen gibt und der Bedarf da ist.
"Eine wichtige Sache"
"Ich möchte das Gefühl haben, dass der gesamte Gemeinderat hinter diesem Antrag steht", erklärte WGU-Fraktionssprecher Markus Weigel.
"Das ist eine wichtige Sache, die die SPD unterstützt", betonte deren Sprecher Uwe Jackwerth.
Bürgermeister Schmiechen beendete schließlich die Diskussion mit den Worten: Wenn wir alles zusammengetragen haben, dann behandeln wir es wieder hier im Rat und geben es in die nächste VG-Versammlung.
Im Verlauf der Debatte war es allerdings erneut zu einem lautstarken Wortgefecht zwischen Tobias Eichner, Bernhard Herrmann und dem Bürgermeister gekommen, in dem es um Meinungsäußerungen ging, die im sozialen Netzwerk Facebook zu dem Thema veröffentlicht wurden. Daraufhin verwies Schmiechen die beiden des Saales.
Bereits in der VG-Sitzung im Januar hatte die Verwaltung in einer Stellungnahme darauf verwiesen, dass das Erdgeschoss des VG-Gebäudes barrierefrei erreicht werden kann. "Die Angebote des Rathauses sind uneingeschränkt nutzbar", merkte Geschäftsstellenleiter Martin Betz damals an.
Des Saales verwiesen bleiben allerdings seit Jahr und Tag Menschen, denen aufgrund einer Körperbehinderung ihr verfassungsmäßiges Recht auf Teilhabe am politischen Gemeindeleben vorenthalten wird. Es gibt für sie keinen Zugang in den Sitzungssaal im zweiten Stock des Untersteinacher Rathauses, wo die Untersteinacher Gemeinderats-Sitzungen stattfinden!
Erfreulicherweise hat das Bayerische Innenministerium unter dem Titel „Die barrierefreie Gemeinde“ eine lehrreiche und sehr beachtenswerte Informationsschrift mit 72 Seiten herausgegeben - (auch als Download der PDF-Datei erhältlich). Hiervon hatte ich, da zum Themenbereich ’Barrierefreiheit’ an dem (- ansonsten mit Werbung zu allen möglichen ’Events’ ziemlich aufgeblähten -) Usaner Rathaus-Schriftenstand nichts aufliegt, als ’Bürger draußen’ 20 Exemplare bestellt: Hiervon habe ich vor Beginn der GR-Sitzung an Herrn BM Volker Schmiechen, Verwaltungsleiter Martin Betz sowie an die anwesenden Gemeinderäte verteilt; (der Pressevertreter hat übrigens dankend abgelehnt.) Die Reaktionen waren unterschiedlich: von scheinbar betroffen bis peinlich berührt. Jedenfalls konnte ich spüren, dass ein derartiges Bürger-Engagement die Untersteinacher ’Gemeinde-Spitze’ schon durchaus brüskieren, wenn nicht sogar provozieren kann, weil hierdurch ja deren ureigene Informations-Nachlässigkeit offen zu Tage gefördert wird: Seit geraumer Zeit schleicht die um fadenscheinige Ausreden nicht verlegene Untersteinacher hochwohllöbliche Obrigkeit um dieses Thema herum wie die Katze um den heißen Brei: Ein Außenaufzug sei technisch nicht möglich, das Treppenhaus angeblich zu eng, und was noch alles!
… ein Qualitätssiegel für die Gemeinde“
so schreibt das Bayerische Innenministerium klar und überzeugend in der genannten Broschüre; und weiter („Die barrierefreie Gemeinde“, Seite 14):
„Öffentliche Gebäude – barrierefrei zugänglich und nutzbar:
Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teilen barrierefrei sein. Zu diesen baulichen Anlagen zählen Gebäude der kommunalen Infrastruktur wie z. B. Rathäuser und andere Verwaltungsgebäude.“
Hiervon will man jedoch im Untersteinacher Bürgermeisteramt bis dato nix wissen; dabei haben dort doch schon vor einigen Wochen Tobias Eichner und seiner Mutter, die seit vielen Jahren auf ihren Rollstuhl angewiesen ist, einen ausführlich begründeten Antrag für ein barrierefreies Rathaus eingereicht: Aber diesen Antrag haben weder Bgm. Schmiechen noch einer der Gemeinderäte irgendwie erwähnt!
Nach dem jüngsten schön-rednerischen Gemeinderats-Geplänkel ohne einen substantiellen Beschluss darf man auf die nächste GR-Sitzung gespannt sein, wofür die Bayerische Gemeindeordnung in Artikel 52 allerdings eindeutig vorschreibt:
„Die Sitzungen des Gemeinderats haben in einem der Allgemeinheit zugänglichen Raum stattzufinden.“
Bernhard Herrmann
Der Spagat unseren Antrag einerseits für herabsetzende Aussagen uns gegenüber zu nutzen, andererseits im Gemeinderat nicht zu behandeln spricht Bände. Der Gemeinderat schien sich nicht einmal darauf einigen zu wollen, zukünftige Gemeinderatssitzungen im ebenerdig zugänglichen Gemeindesaal zu veranstalten. Anstelle dessen wolle man erneut die Verhältnismäßigkeit weiterer Maßnahmen prüfen, wie ich der Presse entnommen habe. Der geringstmögliche Kompromiss wurde so erzielt.
Ich möchte zwar nicht vorab den großen Pessimisten mimen, aber ich fürchte, daß dieses Projekt abgewiegelt wird. Alles andere würde mich wundern - und sehr, sehr freuen. Immerhin könnte Untersteinach zeigen, daß "Inklusion" nicht nur ein Lippenbekenntnis ist. Hoffen wir also, daß ich mich im Untersteinacher Gemeinderat täusche.
Es ist in der Tat so, daß ich mich für ein barrierefreies Rathaus Untersteinach stark engagiere, nicht zuletzt aufgrund persönlicher Betroffenheit in meinem familiären Umfeld. Will man mir das etwa zum Schlechten anrechnen ? Falls dem so ist, habe ich das politische System Untersteinachs offenbar nicht verstanden. Und will es ehrlich gesagt auch nicht.
Die gestrige Gemeinderatssitzung interessant zu nennen, wäre eine verharmlosende Untertreibung. Es ist schade, daß man sich anstelle eines Sachthemas lieber der Diffamierung von Bürgern gewidmet hat.
Gerne hätte ich dieses der Demokratie unwürdige Schauspiel bis zum Ende verfolgt, wurde aber zwischenzeitlich des Saales verwiesen. Die Alternative wäre gewesen, zynische Beleidigungen widerspruchslos über mich ergehen zu lassen. Das konnte und wollte ich jedoch nicht hinnehmen.
Meine Mutter - eine Rollstuhlfahrerin - verließ kurz zuvor freiwillig den Raum, da sie die Anfeindungen von Bürgermeister und Geschäftsstellenleiter nicht länger mitanhören wollte. Ich kann es absolut nachvollziehen.
Korrigieren muss ich erneut die Aussagen des Geschäftsstellenleiters Martin Betz, daß alle Dienste des Rathauses uneingeschränkt nutzbar seien. Dies ist eben nicht der Fall. Behinderte Menschen können weder an Trauungen teilnehmen, noch den Saal im Dachgeschoss ohne fremde Hilfe aufsuchen.
Zwei kurze Episoden möchte ich an dieser Stelle beschreiben, die für den Abend aus meiner Sicht bezeichnend waren:
Allen voran sei hier Volker Schmiechen, seines Zeichens "Erster Bürgermeister von Untersteinach", zu nennen, der sich offenbar einen Spaß daraus machte, den Nordbayerischen Kurier für seinen exzellenten Artikel über ein barrierefreies Rathaus in einer schier unerträglichen Weise herabzusetzen (Zitat aus dem Gedächtnis: "Die haben offenbar nix anderes zu tun da in Bayreuth."). Augenscheinlich ist neutrale Berichterstattung nicht im Sinn des Ersten Bürgermeisters. Oder habe ich da etwas missverstanden ?
Auch der Leiter der Geschäftsstelle Martin Betz bekleckerte sich nicht mit Ruhm, als er mich für unseren gestellten Antrag heftig kritisierte und sogar persönlich angriff. Ich frage mich, ob es seine Aufgabe ist, eine politische Position zu beziehen und wertende Aussagen zu treffen. Gibt es in Untersteinach etwa einen Schattenbürgermeister ?