Gewerbe sucht Heimat

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Die Gewerbeflächen der Stadt sind ausgelastet. OB Dirk Vogel (SPD) möchte neue Flächen schaffen.
Die Gewerbeflächen der Stadt sind ausgelastet. OB Dirk Vogel (SPD) möchte neue Flächen schaffen.
Archiv: Benedikt Borst

Zukunft Wachstum, aber nicht um jeden Preis. Das ist der Kurs des Oberbürgermeisters. Doch noch beschäftigen ihn die fehlenden Flächen - für Firmen und Häuslebauer.

Die Stadt wächst - beim OB Dirk Vogel (SPD) kommt das gut an. Er setzt sich für eine Weiterentwicklung der Stadt ein. Dabei hat der Chef im Bad Kissinger Rathaus nicht nur die Kur im Blick. Ihm geht es darum, die Stadt möglichst breit aufzustellen. Dafür verfolgt er eine besondere Strategie.

Das gilt besonders im Bereich des Gewerbes. "Wir brauchen die Unternehmen und Wachstum, dass Bad Kissingen prosperiert", sagt der OB. Denn die Stadt halte den Einwohnern viele Leistungen vor: "Sei es die Jugendarbeit, der Kissinger Sommer, Zuschüsse für Kitas und Schulen. Das kommt teils alles über die Gewerbesteuer." Allerdings sind die Gewerbeflächen der Stadt derzeit rar. Es braucht somit neue Flächen. Ein neues Areal möchte er mit dem Markt Burkardroth bei Poppenroth realisieren. Allerdings gab es darum jüngst einiges Aufsehen. Die Kommune am Fuß der Schwarzen Berge forderte von der Stadt ein Bekenntnis für das gemeinsame Projekt.

"Wir haben schon mehr als ein Lippenbekenntnis für das interkommunale Gewerbegebiet gegeben", macht Dirk Vogel deutlich. "Wir haben ja beschlossen, es gemeinsam anzugehen und waren auch alle vor Ort." Er macht deutlich: "Wir haben uns klar dazu bekannt. Wir würden nicht hinfahren, wenn wir nicht hinter dem Projekt stehen würden." Im vergangenen Jahr liefen Abfragen mit den Flächeneigentümern. "Wir müssen die Grundstücke erst besitzen. Der Markt Burkardroth kann hier schneller agieren - die Kommune besitzt die Flächen bereits. Dirk Vogel betont: "Wir brauchen aber noch etwas Zeit."

Flora und Fauna sorgen für Debatten

Christine Schwind aus dem städtischen Bauamt fügt an: "Es soll eine Eigentümerversammlung geben, aber unter Pandemiebedingungen ist das nicht ganz so einfach." Danach haben die Eigner der Flächen noch die Möglichkeit, sich Gedanken über einen Verkauf zu machen. "Dann wissen wir, wie es weitergeht und können weitere Schritte gehen", sagt sie.

Dirk Vogel fügt an: "Besonders interessant ist auch das Gebiet Kaserne Nord". Die Stadt hat ihr Augenmerk auf das Areal gerichtet, aber: "Dort ist es nicht ganz so einfach." Derzeit unterstützen zwei Büros dort die städtische Planung. "Wir sind recht weit, aber die Flora-Fauna-Untersuchung ist problematisch. Wir stimmen uns gerade mit der Unteren Naturschutzbehörde ab", erklärt Christine Schwind.

"Bad Kissingen hat dort die historische Chance, neues qualitätsvolles Wachstum zu generieren", sagt der OB. Seine Vision: "Wir wollen Unternehmen mit Sitz vor Ort. Wir brauchen dringend die Gewerbesteuern. Es ist eine Topfläche in direkter Stadtnähe." Es sei wichtig, daraus Einnahmen und Arbeitsplätze zu generieren. "Wir können uns nicht mehr nur in Richtung Kur orientieren." Die Arbeitsplätze gehen für ihn einher mit einer anderen positiven Entwicklung.

"Wachstum braucht auch Kita-Plätze und Schulen. Eines hängt mit dem anderen unmittelbar zusammen." Schwind fügt an: "Dort ist auch eine Top-Lage zum Wohnen. Es ist eine gute Infrastruktur vorhanden und man ist gleich in der Natur." Ohne Außenentwicklung lasse sich der Wohnbedarf nicht decken. Im Bereich der Kernstadt möchte Bad Kissingen an der Johann-Philipp-Geigel Straße, der Stögerstraße II und am nördlichen Bahnhofsgelände aktiv werden. In Garitz am Rinnerfeld, in Winkels am Oberen Weg, in Hausen am Kreuzweg und im Ortsteil Arnshausen im Gründlein II sowie am Schulstandort der Henneberg-Grundschule. "Manches hat sich gut entwickelt, anderes noch nicht."

Ein Positiv-Beispiel ist für den OB das Nördliche Bahnhofsgelände. Dort möchte die Prinzregentenpark GmbH 155 Wohnungen bauen. "Der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan ist für das 1. Quartal 22 geplant." Der Welterbe-Titel ist durch das Projekt nicht in Gefahr. Alle Schritte werden eng mit dem Unesco-Berater-Gremium Icomos abgeklärt. "Man merkt, dass die Leute Bewegung wollen. Wenn dann die Bewegung da ist, tauchen plötzlich Interessenlagen auf", sagt Dirk Vogel. "Anwohner fragen natürlich, was dort passiert. Das sind berechtigte Anliegen, die wir ernst nehmen." Aber: "Ich habe auch die Entwicklung im Blick. Dafür brauchen wir Wachstum - sowohl bei den Gewerbeflächen als auch bei den Einwohnern." Das Areal - einst eine ungenutzte Brache - zählt für den OB zur Innenentwicklung, wie auch die drei Sanierungsgebiete in der Altstadt oder die Revitalisierungsbemühungen in den Altorten.

Als problematisch erweist sich derzeit der Hausener Kreuzweg. "Da kommen wir nicht voran. Das liegt an der fehlenden Verkaufsbereitschaft", sagt OB Dirk Vogel. Voran geht es dagegen beispielsweise am Rinnerfeld und in Winkels. Außerdem möchte er eine an den Mittelstand gerichtete Kampagne fahren, um Mietwohnungen, aber auch Eigentum, in verschiedenen preislichen Segmenten vorzustellen.

Die Sache mit unbebautem Grund

Kopfzerbrechen bereiten der Stadt Baulücken. "Wir hätten uns die Grundsteuer C gewünscht", so Vogel. "Wir haben das Geoportal, auf dem Bürger sich erkundigen können. Da sind auch alle privaten Grundstücke aufgeführt, die zum Verkauf stehen." Im dreijährigen Turnus kontaktiere die Verwaltung Eigentümer zur Verkaufsbereitschaft. "Da kommen immer mal kleinere Grundstücke zurück, aber die Resonanz ist sehr schlecht." Er meint: "Das ist schade, weil leere Grundstücke die Stadt Geld kosten - beispielsweise für Straßen oder Kanal." Außerdem stehe das Verdichten im Fokus. "Am Parkfriedhof ist angeregt worden, ob man was rausschneiden kann. Da wollen wir aber auf das Friedhofsentwicklungskonzept warten", sagt Dirk Vogel und greift damit einen Vorschlag der Grünen auf, ob ungenutzte Friedhofsflächen etwa zu Wohngebieten umgewidmet werden könnten. Zudem gibt es laut Christine Schwind immer wieder Interessenten, die alte Gebäude sanieren und Wohnraum schaffen. Auch die Kurzonenänderung mache sich bemerkbar. Neubaugebiete spart sich die Stadt dadurch jedoch nicht. "Es braucht beides. Aber: Neubaugebiete können durch unsere Konzepte als Folge dann kleiner ausfallen."

Gegen die Flächenversiegelung geht die Stadt weiterhin aktiv vor. "Bad Kissingen hat viel Wald um sich. Vergangenes Jahr haben wir 75 000 Bäume gepflanzt. Die grünen Themen sind Gott sei Dank hier in einer Dimension vorhanden, wie andernorts nicht", meint der OB. Mit Blick darauf fügt er an: "Da muss ich mich - überspitzt ausgedrückt - nicht über jeden Stock und Strauch an potenziellen Gewerbeflächen unterhalten."

Flächen neu nutzen

Ein Teil der Stadtentwicklung fußt auch auf der Entsiegelung. "Wir entsiegeln Flächen - wie etwa die Tennisplätze in Arnshausen -, um sie wieder zu nutzen", sagt Thomas Hack, der städtische Pressesprecher. "Ein komplettes ,zurück-zur-Natur' gibt es nicht, da ist der Bedarf zu hoch." Der OB fügt an: "Das Erschließen neuer Flächen ist kein Alltagsgeschäft, wir bewegen uns dabei auf Neuland und müssen damit einen Umgang finden."

Im Fokus stehe dabei die Rechtssicherheit, aber auch der Bürger. "Es braucht Entwicklung, die auf Akzeptanz stößt. Wir waren in den vergangenen Jahrzehnten nicht gewohnt, dass etwas passiert. Erst brüllen alle danach. Wenn es dann entsteht, kommen Widerstände, die wir ernst nehmen müssen, um zu guten Lösungen zu kommen. Ich möchte, dass wir Entwicklung haben, aber nicht um jeden Preis, so dass am Ende alle verärgert sind." Sein Kurs ist klar: "Diejenigen, die sagen, dass alles bleiben soll, wie es ist, unterstütze ich nicht, aber ich nehme deren Bedenken ernst."

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