von unserem Mitarbeiter Markus Häggberg Kloster Banz — Der Chef des renommierten Carl-Hanser-Verlags, Michael Krüger, sitzt unweit der Rezeption in der Lobby. Abwechselnd schaut er...
von unserem Mitarbeiter Markus Häggberg
Kloster Banz — Der Chef des renommierten Carl-Hanser-Verlags, Michael Krüger, sitzt unweit der Rezeption in der Lobby. Abwechselnd schaut er versonnen vor sich hin und geschäftig auf seinen Tablet-PC. Krüger ist auch Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, und inmitten des Betriebs der Veranstaltungsreihe Lied & Lyrik, die ein Kind der Friedrich-Baur-Stiftung und der Akademie ist, fand er etwas Ruhe.
Drei Herren nebeneinander
Wenige Minuten zuvor hatte er in der zum großen Gebäudekomplex gehörenden Kutschenhalle zwei Lyriker aus einer Begegnung mit Lesern und einem Nachmittagsgespräch samt Lesung verabschiedet: Ryszard Krynicki und Lutz Seiler.
Rückblick: Drei Herren sitzen nebeneinander und vor Publikum.
In der Mitte: Michael Krüger, einer der sagt, dass es die Worte sind, die den Menschen am Leben halten. Ein Wissender, was Übersetzungen, Übersetzer, Literatur und Literaten anbelangt.
Rechts von ihm Krynicki: Pole, Jahrgang 1943, zur Welt gekommen in einem Lager. Man zählt ihn zu den bedeutendsten Lyrikern der in den 1960er-Jahren bekannten Bewegung "Neue Welle". Seine Schriften fielen während des Kommunismus einer strengen Zensur zum Opfer und waren mit einem Publikationsverbot belegt.
Unfehlbarkeit verloren
Er liest bedächtig, in deutscher Sprache und wie für sich. Aber die etwa 40 Personen vor ihm, ausgestattet mit Sinn für Lyrik auch ohne Lied, lauschen seinen übersetzten Gedichten. Sie wirken in einem nach. Sein Töchterchen, so heißt es in einem, habe ihre Unfehlbarkeit verloren, als die Sprache in ihr Leben trat.
Eine zartfühlende Beobachtung mit einer Wahrheit hinter dem Greifbaren. Blickkontakt mit den Zuhörern sucht der Dichter nicht, und wenn er seine Gedanken vorliest, dann tut er es mit freundlicher Bescheidenheit.
Krüger wendet sich ihm zu, auf eine gemeinsame Erinnerung einladend. Wie hieß doch der Übersetzer von diesem oder jenem Buch? Und welche Schrulle pflegt er? In welchen Sprachen war er am geschicktesten, am präzisesten? Das alles ist unterhaltsam und schenkt eine Ahnung von dem, was die Literatur zu einem großen Betrieb macht.
Aber Krüger, selbst Publizist, Dichter und Literaturkritiker, ist Insider. Und so gehören die ihm bekannten Namen, mit denen er das Publikum konfrontiert, oft zum Insiderwissen. Interviews sind das nicht, eher Plaudereien unter Freunden, denen beizuwohnen dennoch interessant ist.
Krüger wendet sich dem Mann zu seiner Linken zu.
Lutz Seidel heißt er und sieht ein bisschen aus wie Reinhard Mey in jungen Jahren. Sein neues Buch heißt "Kruso". Wie Robinson Crusoe? Ja, denn es verweist auf einen Mann, der auf einer Nordseeinsel Selbstfindung anstrebt. 2014 gab es dafür den Deutschen Buchpreis.
Seidel ist preisgekrönter Lyriker, langjähriger Leiter des Peter-Huchel-Hauses und 52 Jahre alt. Wenn der gebürtige Geraer liest, tut er das monoton und den Körper leicht nach vorne und zurück bewegend. Gedichte leben auch vom Rhythmus, wird er hinterher erklären. Und ja, läse sie ein anderer mit anderer Betonung, wären sie nicht mehr die seinen. Eine nur technische Prägung habe er als Kind seitens der Eltern erhalten, so Seidel. Doch Ergebnis des Lesenlernens sei bei ihm das Schreibenwollen gewesen.
Biografisches und Beweggründe kamen im Gespräch mit Seiler mehr zum Vorschein.
Am Ende bot Krüger etwaigen Fragestellern an, sich mit den beiden Künstlern auf einen Plausch "in eine Ecke zu verziehen". Weil Fragen zu Gedichten doch "oft intim" seien.