Er ist noch der, der er war - auch mit 60

3 Min
Die Schieflage der Stadt, hier als Gemälde im Hintergrund , will Bürgermeister Wolfgang Beiergrößlein gerade rücken. Kraft dafür schöpft der Katholik aus seinem Glauben (symbolisiert durch eine Mutter-Gottes-Figur). Sein Geburtstagswunsch: eine Friedenskapelle errichten. Foto: Corinna Igler
Die Schieflage der Stadt, hier als Gemälde im Hintergrund , will Bürgermeister Wolfgang Beiergrößlein gerade rücken. Kraft dafür schöpft der Katholik aus seinem Glauben (symbolisiert durch eine Mutter-Gottes-Figur). Sein Geburtstagswunsch: eine Friedenskapelle errichten. Foto: Corinna Igler

Porträt  Das Kronacher Stadtoberhaupt Wolfgang Beiergrößlein wird morgen 60 Jahre alt. Zumindest in seinen Bürgermeister-Jahren ist jeden Tag ein kleiner Wunsch für ihn in Erfüllung gegangen, sagt er. Und das dürfte auch mit dieser Überschrift so sein.

von unserem Redaktionsmitglied Corinna Igler

Kronach — Die Überschrift ist die, die Wolfgang Beiergrößlein gerne über sich lesen würde, wenn er eine Wunsch-Überschrift frei hätte. Und weil er morgen 60 wird, erfüllen wir ihm diesen Wunsch.
Aber nicht nur deshalb. Fragt man einige seiner Weggefährten wird deutlich, Wolfgang Beiergrößlein ist tatsächlich auch als Bürgermeister der Kreisstadt (seit 2008) noch der, der er zuvor war: der Wolfgang Beiergrößlein, der ein goldenes Kreuz um den Hals trägt und vor jeder Stadtratsitzung eine kleine Mutter Gottes in die Sakko-Tasche steckt; der gläubige Christ Wolfgang Beiergrößlein, der seine Kraft und Ausdauer aus diesem Glauben nimmt; der fußballbegeisterte Wolfgang Beiergrößlein, der kein Alleingänger ist, sondern auf Gemeinsamkeit setzt; der Wolfgang Beiergrößlein, der die Ärmel hochkrempelt und anpackt - ob im Garten oder wenn es um die Schieflage "seiner" Stadt geht; der Wolfgang Beiergrößlein, der seinen Wahlspruch selbst kreiert hat, so wie er sich selbst sieht, so wie er selbst weiter sein möchte: "einer von euch, einer für euch." - "Das wäre mein größter Erfolg, wenn ich mich nicht verändere - mit all meinen Stärken und Schwächen", spricht Beiergrößlein einen seiner Wünsche aus.

Das Zünglein an der Waage

Doch Wolfgang Beiergrößlein ist alles andere als unzufrieden. "In den letzten sechs Jahren hat sich jeden Tag ein Wunsch von mir erfüllt", sagt er und klärt auf: "Weil mit jedem Tag meine Vision, die ich bei Amtsantritt hatte, ein Stück Realität wurde."
Und dabei war es gar nicht sein Ziel, Bürgermeister zu werden. Im Dezember 1995 war er bei einer Versammlung, bei der sich die Freien Wähler wieder gründen wollten. Ein Vereinskollege des FC Kronach hat ihn mitgenommen und meinte, Beiergrößlein könne auf der Liste der Freien Wähler für die Stadtratswahl im folgenden Frühjahr kandidieren. Immerhin kannten ihn nicht nur durch den Fußball viele Kronacher, sondern auch durch seine Tätigkeit im Landratsamt.
Und so kam es letztlich: Beiergrößlein wurde 1996 als einziger Freier Wähler in den Stadtrat gewählt, war "das Zünglein an der Waage", weil damit der SPD ein Sitz und auch die Mehrheit im Stadtrat verloren ging. Leichte Zeiten seien das nicht gewesen, immerhin hat er mit seiner kritischen Haltung zur Landesgartenschau und der zunehmenden Verschuldung der Stadt für Aufsehen gesorgt. Beiergrößlein bezeichnet die Jahre als seine Lehrjahre - nicht zuletzt weil er damals schon Stadtoberhauptsluft schnuppern konnte, war er doch Dritter Bürgermeister.
2002 kandidierte er schon für den Platz im Bürgermeistersessel, 2008 nahm er diesen dann ein, nachdem er die Stichwahl mit 51 Prozent gewonnen hatte. 2014 folgte die Wiederwahl mit 78,5 Prozent aller Stimmen.
Von einer Mammutaufgabe, spricht er, wenn er über die Anfänge in diesem Amt spricht. Von einer Gratwanderung zwischen Sparen auf der einen Seite und Stillstand vermeiden auf der anderen. Immerhin steht Beiergrößlein wie eine Art Synonym für das Wort Haushaltskonsolidierung. Viele haben ihm damals nicht zugetraut, dass er diese "Mammutaufgabe" derart meistert. Einige sahen ihn scheitern oder hätten ihn, wie das in der Politik so ist, gerne scheitern sehen. "Aber ich habe meine Ziele vehement verfolgt", sagt Beiergrößlein nicht ohne Stolz. Gefragt nach seinem Erfolgsrezept, fällt wieder das Wort Miteinander. "Im Stadtrat werden keine Feldzüge mehr geführt, die Gemeinsamkeit zum Wohle der Stadt habe ich regelmäßig eingefordert." Die wichtigste Zutat sei das. Hinzu kommen als weitere Zutaten "meine Art Türen zu öffnen", Offenheit und Ehrlichkeit. Und so komme letztlich ein Signal heraus: "Dass wir unsere Hausaufgaben machen." Nicht ganz so erfreuen kann sich Beiergrößlein am fertigen Gericht lediglich dann, wenn "Leute Sachen aus nichtöffentlichen Sitzungen hinaustragen und dann genau das, was das Gremium besprochen hat, öffentlich einfordern und als eigenen Erfolg verkaufen".

Der Vermittler

Doch letztendlich lässt er sich auch davon nicht unterkriegen: "Ich mache so weiter, halte die Zügel fest in der Hand. Mal etwas stärker links, mal etwas stärker rechts", spielt er darauf an, dass er stets auch versuche zu vermitteln. So wie zuletzt zwischen dem Finanzministerium und dem Karst Hagebaumarkt, oder zwischen sämtlichen Entscheidungsträgern in Sachen Loewe. Die Ergebnisse könnten sich beide Male sehen lassen: Die Fachhochschule wird auf dem Gelände des jetzigen Hagebaumarktes entstehen, der wiederum nach Fröschbrunn umzieht, und durch den Aufkauf der Loewe-Gebäude durch die Stadtentwicklungs GmbH wurde nicht nur das Unternehmen am Standort gesichert, sondern noch dazu wurden Flächen von der Stadt erworben, die sie auch anderen Betrieben in der Region zur Verfügung stellen kann.
Vermitteln will Beiergrößlein auch in seiner Funktion als weiterer Stellvertreter des Landrats, der er seit 2014 hat. Oswald Marrs Nachfolger und damit an den Ort zurückkehren, an dem er aufgewachsen ist - Beiergrößleins Vater war Hausmeister im Landratsamt, die Familie wohnte dort in einer Dienstwohnung -, will er nicht. "Dazu müsste ich 50, nicht 60 werden", sagt er schmunzelnd. Ob er damit 2020 auch zu alt für das Amt des Bürgermeister ist, will er heute noch nicht sagen. "Das entscheide ich 2019", sagt er.
Wichtiger sei es ihm, die Gesundheit zu erhalten, so dass er weiterhin "energisch anpacken kann für Stadt und Landkreis Kronach" - und zwar so wie er ist.