Eine Unterwanderung

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Markus Häggberg Tun wir mal so, als wollten wir diesen Vorgang aus dem Landkreis nicht bewerten. Immerhin zeigt sich an ihm etwas von menschlicher Größe. Oder von menschlichem Abgrund. Na, jedenfalls ...

Markus Häggberg Tun wir mal so, als wollten wir diesen Vorgang aus dem Landkreis nicht bewerten. Immerhin zeigt sich an ihm etwas von menschlicher Größe. Oder von menschlichem Abgrund. Na, jedenfalls etwas von Menschlichkeit. Folgen Sie mir also aufs Land, in die Beschaulichkeit, dorthin, wo die Welt angeblich noch in Ordnung ist.

Da sind also ein paar Stammtischspezis, die sich mögen und in ihrem Lokal gerne regelmäßig Dinge miteinander bereden. Es geht um wichtige Angelegenheiten mit Weltbezug, wie Hannah Arendt mal formuliert hat. Also so Sachen wie Fußball und Politik, gelegentlich auch Familiäres und Frauen, aber hauptsächlich doch eher um die wichtigen Dinge des Lebens. Also Fußball und Politik und jetzt auch Corona und Klopapier.

Jetzt ist das mit den Spezis so eine Geschichte, denn üblicherweise trafen sie sich ja bislang immer mehr so in den Abendstunden. Das geht jetzt aber nicht mehr, weil ja entsprechende Lokalitäten ab 15 Uhr geschlossen bleiben müssen und das Virus bekanntermaßen erst nach 15 Uhr aktiv wird. Vorher hält es sich sehr wahrscheinlich selbst eher völlig privat und darum beruflich inaktiv in den Lokalitäten auf, und wird erst gegen 15 Uhr pflichtbewusst, stempelt ein, geht zur Schicht und steckt an.

Nun ist der Mensch ja ein Gewohnheitstier und gewohnheitsgemäß in manchen Dingen treu, in manchen Dingen immer für Überraschungen gut oder auch einfach nur beknackt. Die Weltgeschichte ist jedenfalls voll mit Beispielen in alle diese Richtungen und wie gesagt, wir tun mal so, als wollten wir hier nichts bewerten. Jetzt muss es aber wohl so gewesen sein, dass mit dem Herannahen des Stammtischabends und der Stammtischuhrzeit so etwas wie eine drängende Leere in den Spezis aufstieg. Der Wunsch, die Heimat weiterhin betreten zu dürfen, einen Fuß auf das wohlig Bekannte zu setzen, sich dort in den Kurzurlaub zu begeben, wo sich einem lieb gewordene Gesichter vor lieb gewordener Kulisse zeigen. Wo man eben unter sich ist und entweder hofft oder davon ausgeht, dass Covid-19 einen am Arsch lecken kann. Die Spezis haben also gewissermaßen ein eher halbwarmes Interesse an Covid-19 bzw. glauben, es korrekt eingeschätzt wissen zu dürfen.

Ich gebe zu, dass das ein ganz schön umständlicher Satz war. Lassen Sie uns gemeinsam hoffen, dass er überdies auch korrekt war. Also jedenfalls, weil Männer Menschen und somit Gewohnheitstiere sind, standen sie beim Näherrücken des Termins offenbar vor der Frage, wie das gemeinsame Zeremoniell fürderhin zu bewerkstelligen sei. Immerhin verhält es sich seit Urzeiten so, dass sich der Mensch mit Zeremonien ja auch vor den Unbilden von Zeit und Welt schützt, geben sie ihm doch einen Halt und machen den Tod vergessen. Vielleicht ging ja genau all das in den Spezis vor. Vielleicht überschätze ich sie jetzt aber auch nur. Nun ja, als die Zeit gekommen war, saßen die Spezis nicht am üblichen Ort.

Sie avancierten nämlich unter das Dach der unweit vom Stammlokal gelegenen Bushaltestelle und hatten einen Kasten des Bieres dabei, welches dort ausgeschenkt wird. So habe es sich zugetragen, heißt es. Vielleicht jedenfalls. Man munkelt halt.