Eine Lichtenfelser Krankengeschichte

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Der Felix ist ein prima Kerl. Ein Mensch von heiterer Besonnenheit und angenehm im Wesen. Wenn er nicht so schlecht verdienen würde, wäre er glatt ein Schwiegermuttertyp. Aber das mit dem schlechten V...

Der Felix ist ein prima Kerl. Ein Mensch von heiterer Besonnenheit und angenehm im Wesen. Wenn er nicht so schlecht verdienen würde, wäre er glatt ein Schwiegermuttertyp. Aber das mit dem schlechten Verdienst hat er sich selber zuzuschreiben.

Davon lässt sich sein Vater jedenfalls nicht abbringen. Der hätte ihn am liebsten wo untergebracht, wo Zukunft herrscht. Aber der Felix ist mehr so ein Selbstverwirklicher und möchte eigene Wege gehen. Dumm nur, dass er heimatverbunden ist und sich mit dem, was er kann, in Österreich bewerben gehen musste. Also fuhr er los, und es war ein sonniger Tag. Es war noch die Zeit, da nix von einem Coronavirus zu hören und zu lesen war. Kurzum: Es liegt Jahre zurück.

Also, jedenfalls bringt der Felix sein Anliegen in Wien fein hinter sich und begibt sich am späten Nachmittag mit einer gewissen Freude auf den Heimweg nach Lichtenfels. Er startet sein Auto und fährt los. Auf Höhe von Sankt Pölten ist noch alles in Ordnung, wenngleich auch ein Anruf bei Felix eingeht. Seine Freundin ist dran und bittet ihn darum, er möge ihr etwas Bestimmtes aus München mitbringen.

Also beschließt Felix, eben nicht über Linz nach Passau zu fahren, sondern über Salzburg nach München zu düsen. Ein leises Grummeln meldet sich. Noch nichts, was sich bestimmen lässt, eher diffus bleibend. Dann, so bei Bad Reichenhall, war er da, der Schmerz. Plötzlich spürte Felix einen Krampf in der Lendengegend. Sehr schmerzhaft. Sehr. Aber so ein Schmerz hat auch einen Vorteil: Er macht hellwach. Er klingt ab. Bei Wasserburg meldet er sich wieder. Heftiger, schneidender, noch schneidender. Aber Felix ist tapfer, er will nach München und die Besorgung erledigen. Er ist wirklich ein prima Kerl.

In München steigt er aus dem Auto und geht schon etwas schief. Etwas strahlt in seinen Rücken aus. Dem Verkäufer begegnet er mit einem etwas schiefen Lächeln, aber Felix rückt es ihm beim Bezahlen wieder gerade. Als er sein Mitbringsel auf die Rückbank legt, geht es mit einem Schweißausbruch los. Nicht für lange, dann ist wieder Ruhe. Felix startet das Auto und fährt los. Eine Müdigkeit überkommt ihn, und es ist doch tatsächlich etwas spät geworden. Nun, noch nicht ganz 22 Uhr, fährt Felix gegen die aufkommende Müdigkeit an. Seine Augen möchten schlafen, aber Krämpfe sind wenig mitfühlend. Es wird Freising, es wird Ingolstadt, es wird 24 Uhr. An einer Tankstelle holt sich Felix zwei schwarze Kaffee.

Der Schmerz ist stark, der Kaffee auch, das Fleisch ist schwach. Es wird Nürnberg, es wird Fürth, es wird 1 Uhr. Felix ist müde und wach zugleich, der Kaffee ist stark und zu schwach zugleich. Erlangen erreicht man schnell, aber zwischen Forchheim und Bamberg zieht es sich. Felix krümmt sich hinterm Steuer, aber er richtet sich wieder auf, fasst die Straße ins Auge und die ersten Schriftzüge mit "Lichtenfels". Heimat, Ende der Reise, endlich Augen schließen.

Oder ins Krankenhaus gehen. Oder im Krankenhaus die Augen schließen und schlafen. Zapfendorf kommt, Ebensfeld kommt, Felix fährt durch Bad Staffelstein. Nur noch wenige Kilometer, dann wird es ein Bett für ihn im Krankenhaus geben. Als er endlich das Auto abstellt, greift er sich an die Nierengegend und geht schleppenden Schrittes voran. Vielleicht wird man ihn hier behalten und morgen früh gründlich untersuchen. Felix wünscht es sich, auch wenn er gerade keine Wäsche zum Wechseln dabei hat. Als alles Formelle und sonstig Notwendige weitestgehend geklärt ist, sitzt er auf seinem Bett und wartet noch auf einen Arzt. Der kommt irgendwann auch, setzt sich zu ihm ans Bett und ... schläft ein.

Ärzte haben es im Nachtdienst auch nicht immer leicht. Und Felix? Der, weil seine Nierenkolik jetzt gerade Pause machte, wachte über den Schlaf des Arztes. Noch heute muss Felix immer lachen, wenn er sich dieses Vorfalls erinnert. Er ist halt ein prima Kerl und angenehm im Wesen.