Eine Frau zieht es auf Schusters Rappen und alleine rund um die Welt

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Christine Thürmer zeigt ihren Reise-Schlafsack. Foto. Pauline Lindner
Christine Thürmer zeigt ihren Reise-Schlafsack.  Foto. Pauline Lindner

Gerademal 1000 Kilomoter fehlen Christine Thürmer noch, dann hätte sie zu Fuß den Äquator einmal umrundet. Voraussichtlich schafft die gebürtige Forchheimerin diese Strecke noch in diesem Jahr, denn a...

Gerademal 1000 Kilomoter fehlen Christine Thürmer noch, dann hätte sie zu Fuß den Äquator einmal umrundet. Voraussichtlich schafft die gebürtige Forchheimerin diese Strecke noch in diesem Jahr, denn am 1. Dezember startet sie zu einer Tour auf der Südhalbkugel. Gewissermaßen einen Zwischenbericht gab sie bei der letzten Blätterwald-Veranstaltung dieses Jahres im Saal der Sparkasse.

Ihrer Kenntnis nach ist sie die einzige Person, die bislang Europa in Ostwest- und in Nordsüd-Richtung zu Fuß durchmessen hat. Das letzte Teilstück war erst am 1. September geschafft: 8200 Kilometer von Tarifa, der südlichsten Stadt Spaniens, bis hoch zum Nordkap in Norwegen.

Das Leben auf Schusters Rappen führt sie seit 2004. Jahrelang war sie deswegen wohnsitzlos; nun hat sie als Standquartier eine kleine Wohnung in Berlin-Marzahn.

Schmerzlicher Impuls

Der Impuls ihr Leben als gut bezahlte Managerin so radikal zu ändern, war der schmerzliche Verlust eines Freundes. Der 46-jährige erfolgreiche Architekt erlitt mehrere Schlaganfälle und war danach hilfloser als ein Kleinkind. Thürmer besuchte ihn im Pflegeheim und wurde gebeten, ihn zu füttern. "Das letzte Mal war ich mit ihm in einem Szenelokal chic zum Essen - und jetzt füttere ich ihn", ist ihr damals durch den Kopf gegangen. Was sei dagegen der Verlust ihres Arbeitsplatzes? Sie fragte sich, was sie täte, wüsste sie, sie habe nur mehr zehn Jahre Lebenszeit. Und: Sie entschied sich dafür, den Pacific Crest Trail zu laufen. "Die Ressource Lebenszeit ist endlich und nicht planbar", war Thürmer klar geworden.

Die Erfahrung des Aufenthalts jenseits der Kulturschwellen muss trotz aller Einschränkungen so stark gewesen sein, dass sie die Laufschuhe nicht mehr auszog. Einschränkungen sind und waren das nur aus der Perspektive der Daheimgebliebenen - dies machte sie mit der Vorstellung ihrer minimalistischen Ausrüstung klar. Ohne Lebensmittel wiegt das Equipment nur fünf Kilogramm. Wirklich grammweise hat die inzwischen 51-Jährige ausgetüftelt, wo sie die Last verringern kann. "Luxus ist das, was Sie nicht tragen müssen", ist denn auch ihr Rat an potenzielle Nachahmer. Es müssen ja nicht gleich 1000 Kilometer sein, wie sie inzwischen ihr Minimum an Wegstrecke definiert.

Die kontinuierliche Bewegung, die Zeit zum Nachdenken über die großen Fragen des Lebens, das muss die ursprüngliche Motivation gewesen sein. Und sicher auch das, was man gemeinhin Fernweh nennt. Denn erst der sich verschlechternde Wechselkurs des Euro lenkte ihre Streckenwahl nach Europa. Hatte sie auf den 17 000 Kilometern in den USA mit der Überwindung von weiten menschenleeren Räumen zu kämpfen - für mehrere Tage Nahrungsmittel mitzuschleppen und nach Wasserquellen Ausschau zu halten - galt es in Europa manchen Folgen der dichten Besiedlung auszuweichen. Beispielsweise den Verboten, einfach im Wald für eine Nacht zu zelten.

Die Angst, sie könnte überfallen werden, spielt dabei keine Rolle. "Wer lauert schon im Wald auf eine zufällig vorbeikommende Wanderin? Bis die kommt, hätte der schon Wurzeln geschlagen", beantwortete sie eine Nachfrage.

In den letzten Jahren hat sie sich "diversifiziert", wie sie es in ihrem zweiten Buch "Wandern, radeln, paddeln" beschreibt. Per Rad und mit dem Kanu haben sich ihr ganz andere Sichtweisen aufgetan.