Eine Frage von Belang

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Als der Zeuge fertig war, sagte ihm der Richter vielen Dank und er könne jetzt gehen. Der Zeuge stand auf, rückte den Stuhl, auf dem er saß, zurecht und verließ leise, die Tür hinter sich schließend, ...

Als der Zeuge fertig war, sagte ihm der Richter vielen Dank und er könne jetzt gehen. Der Zeuge stand auf, rückte den Stuhl, auf dem er saß, zurecht und verließ leise, die Tür hinter sich schließend, den Saal.

Da plötzlich meldete sich der Verteidiger zu Wort und erkundigte sich beim Richter, ob er an den Zeugen nicht vielleicht doch noch eine Frage stellen dürfe. Das war jetzt zwar ein bisschen außerhalb des Protokolls, aber der Richter willigte ein und so eilte der Verteidiger mit wehender Robe hinaus auf den Gang.

Wenn Verteidiger "noch eine Frage" an den Zeugen haben, dann ist sie bedeutsam. So kennt man es aus den amerikanischen Gerichtsthrillern, so kannte man es aus dem deutschen "Ein Fall für zwei". Es geht dabei um Fragen, die etwas zum Guten wenden können und die Reichweite haben.

Der Verteidiger hat noch eine Frage und der Mandant beginnt zu hoffen. Wird es vielleicht doch zum Freispruch kommen? Wird es wenigstens zur Bewährung reichen? Oder lässt sich gegebenenfalls Zeit gewinnen und eine Vertagung bewirken, weil die erhoffte neue Information das Bisherige in neues Licht taucht?

Die Frage, die der Verteidiger noch stellen wollte, tauchte nicht aus dem Nichts auf. Schon während der Zeuge durch ihn und den Staatsanwalt befragt wurde, musste dieser Impuls gewachsen sein. Irgendetwas an diesem Zeugen erregte die Aufmerksamkeit des Verteidigers, das konnte man sehen. Denn da war dieses plötzliche Innehalten, dieses Aufblicken und letztlich sogar dieses Mustern.

Der Angeklagte sah vor sich hin, der Staatsanwalt notierte etwas in seine Akten und der Zeuge erinnerte sich nach bestem Wissen und Gewissen. Und dann schienen eben alle Fragen gestellt und er wurde aus dem Zeugenstand entlassen. Der Verteidiger blickte einen Moment lang unschlüssig, aber dann wandte er sich um Erlaubnis bittend an den Vorsitzenden. Und wenig später war er auf dem Flur, hatte den Zeugen eingeholt und stellte ihm seine Frage: "Was tragen Sie eigentlich für eine Hemdmarke? Ich finde den Kragen so schön."