Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden öffentliche Gebäude mit "Kunst am Bau" verschönert. In Ludwigsstadt wurde diese Idee vom ansässigen "Konsum" aufgegriffen.
Ludwigsstadt — Der charakteristische historische Marktplatz unterhalb der ehrwürdigen Michaeliskirche bildet das Wahrzeichen Ludwigsstadts. Einen eindrucksvollen künstlerischen Akzent inmitten der stadtbildprägenden Gebäude setzt die "Konsum"-Werbung aus dem Jahre 1960 am ehemaligen Kolonialwarenladen. Geschaffen wurde der Hingucker von dem aus Selbitz stammenden Künstler Erich Ludwig.
Der Wiederaufbau der vielen durch den Zweiten Weltkrieg zerstörten deutschen Städte war eine der größten Herausforderungen der deutschen Nachkriegspolitik. Mittels Beschluss vom 25. Januar 1950 ordnete der Deutsche Bundestag an, einen Teil der Bausumme öffentlicher Bauten für Kunst aufzuwenden. Diese gesetzliche Regelung sollte für neue Impulse für das von den Nationalsozialisten eingestampfte Kulturleben sorgen.
"Dass man aber auch einen Kolonialwarenladen als Privat-Initiative mit Kunst am Bau verschönern lässt, das ist schon wirklich außergewöhnlich", zeigte sich Kreisheimatpfleger Robert Wachter begeistert, als er sich mit seinem Amtskollegen Siegfried Scheidig sowie Ludwigsstadts Bürgermeister Timo Ehrhardt ein Bild dieser Rarität am Fuße des historischen Marktplatzes machte.
Zuletzt ein Schlecker-Markt
"Das Gebäude war eines der ersten Häuser am Platz", erklärte Scheidig, der sich noch an die frühere Nutzung als Kolonialwarenladen erinnern kann, beispielsweise durch die Supermarkt-Kette Coop. Zuletzt war eine Schlecker-Filiale darin untergebracht.
Bei der "Konsum"-Werbung handelt es sich um ein Sgraffito, abgeleitet vom italienischen Verb sgraffiare oder graffiare - deutsch kratzen. Der Ursprung der heute leider nur noch vergleichsweise selten angewandten Kratzputz-Technik zur Bearbeitung von Wandflächen reicht bis in die Antike zurück. An der Ausführung hat sich nichts wesentlich geändert: Der Handwerker trägt mehrere farbige Putzschichten übereinander auf und kratzt davon im noch feuchten mehrlagigen Putzaufbau Flächen wieder ab. Je nachdem, wie tief man bei der Sgraffito-Technik hinein kratzt, kommt eine andere darunterliegende Farbe zum Vorschein. Hierzu verwendet man spezielle Werkzeuge aus Eisen wie Schlingen, Nägel und Spateln. Das muss alles zügig vonstattengehen, noch bevor der Putz anzieht und zu erhärten beginnt.
Sehr gut erhalten
Dargestellt sind für den Handel typische Elemente wie eine Waage sowie Lebensmittel wie Gemüse, Fleisch, Wurst, Fische und Getränke. Die aufgetragenen verschiedenen Putzschichten befinden sich in einem sehr guten Zustand. Bei der Oberfläche dürfte es sich - zumindest weitgehend - um den Originalzustand halten. Auch die Farbigkeit ist beachtlich gut erhalten. Das Sgraffito demonstriere, so Wachter, großes handwerkliches Geschick des Künstlers wie auch einmal mehr die Qualität sowie enorme Bandbreite der für die "Kunst am Bau" verwendeten Techniken und Materialien.
"Leider kommt eine aktuelle Kunst am Bau nicht mehr nach", bedauert Wachter, habe diese sich doch früher fast an jedem öffentlichen Gebäude wie an und in Schulen, Krankenhäusern oder Rathäusern - zumeist in Form von Mosaiken, Sgraffitos, Wandgemälden und Brunnen - gefunden. Viele von ihnen seien unwiederbringlich verlorengegangen oder mittlerweile bedroht, da die Gebäude dieser Jahre jetzt vielfach stark saniert und sogar gänzlich abgerissen würden.
Dankbar für das große Engagement der beiden Kreisheimatpfleger zeigte sich Bürgermeister Timo Ehrhardt. Oftmals seien wir uns des Werts der uns umgebenden Kunstwerke nicht voll bewusst. Es sei gut, darauf hinzuweisen und uns dies wieder vor Augen zu führen.