Die rauen Sitten unserer Vorfahren

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Christiane Kolbet demonstriert, wie eine Schandgeige getragen wurde. Foto: Britta Schnake
Christiane Kolbet demonstriert, wie eine Schandgeige getragen wurde. Foto: Britta Schnake

Wer im 16. oder 17. Jahrhundert in Höchstadt ein Verbrechen beging, musste mit Folter und Tod rechnen.

"Diebe, Mörder, arme Sünder", so lautet der Titel einer der Führungen, die Christiane Kolbet unter dem Oberbegriff "Aischgrund-Touren" anbietet. Corona hat ihr allerdings im wahrsten Sinne des Wortes die Tour(en) vermasselt, wo sie doch gerne erzählt, wer so alles gemeuchelt wurde damals und wie man mit Straftätern früher umgesprungen ist.

Bereits vor dem Neustart der Führungen nahm sich Kolbet Zeit für den FT und zeigte all die "lauschigen" Plätzchen, welche den wenigsten Höchstadtern wirklich bekannt sein dürften. "Im Großen und Ganzen waren die Höchstadter gottesfürchtig und fromm und haben sich wenig zuschulden kommen lassen", nimmt Kolbet gleich zu Beginn die Hoffnung auf ausufernde Bluttaten und Gemetzel. "Schwere Straftaten wie Mord, Brandstiftung und schwerer Diebstahl wurden im Amt Höchstadt vor einem Laienrichter und zwölf Schöffen verhandelt, Bagatellsachen wie Schlägereien und Beleidigungen vor zwölf Bürgerräten und dem Bürgermeister." Den Verhandlungen zugrunde lag laut Kolbet die Bamberger Halsgerichtsordnung von 1507, in welcher jedwedes Vorgehen exakt beschrieben wird.

Dann demonstriert Kolbet am eigenen Leib die Schandgeige. Ein aus Eichenholz gefertigtes, geigenförmiges Teil mit drei Löchern. Durch das große steckte man den Kopf, die Hände kamen in die kleinen Löcher. "Das war eine Art Pranger, eine Strafe", erklärt Kolbet. "Scharfzüngige Frauen mussten damit an einem öffentlichen Ort etwa eine Stunde stehen."

Untergebracht waren Straftäter bis zur Verhandlung im Keller des alten Rathauses, dem "Loch", wie Kolbet erklärt. Sie erzählt, dass man dort unter anderem landete, wenn man den Bürgermeister kritisierte. Heute befindet sich dort das Heimatmuseum. "Angebaut am alten Rathaus war ein sogenannter Narrenkäfig", sagt Kolbet, "wenn man zum Beispiel nach einem Kneipenbesuch nachts laut grölend durch die Straßen zog, musste man zur Strafe dort ungefähr eine Stunde einsitzen."

Ein weiterer Ort, an dem Verbrecher auf ihre Verhandlung warteten, war das 1602 erbaute Büttelhaus in der Brauhausgasse 3. "Der Büttel war ein Stadtknecht und schlecht angesehen", erklärt Kolbet. "Er war schlecht bezahlt und hatte viel zu tun, war er doch zuständig für Festnahmen, Versorgung der Gefangenen und brachte diese auch zum Gericht."

"Peinliche Befragung"

Und dann war da ja noch der Zwickturm ... Laut Kolbet wurden dort Verbrecher, die nicht freiwillig ein Geständnis ablegten, einer "peinlichen Befragung" unterzogen, sprich: Sie wurden gefoltert. Dau-menschrauben, Beinschrauben und Zug waren damals die Mittel der Wahl. Kolbet zeigt die Vertiefungen in der Stadtmauer im Engelgarten, wo der Zwickturm zu jener Zeit stand. "Wer trotz der Folter nicht gestand, war frei. Und der Henker, der die peinliche Befragung durchgeführt hat, musste den Gefangenen pflegen und versorgen. Aber nur in den wenigsten Fällen wurde Folter angewandt", sagt Kolbet, "80 Prozent haben freiwillig gestanden, wenn man ihnen die Folterwerkzeuge ge-zeigt hat."

Frauen wurden in der Regel nicht gefoltert, was laut Kolbet zum großen Teil daran lag, dass die meisten Straftaten von Männern begangen wurden. Der Stadtführerin selbst ist nur eine Frau bekannt, die im Zwickturm landete, "Apolonia Gabrielin aus Wassertrüdingen. 1545 wurde sie mit drei Männern wegen Brandstiftung festgenommen. Sie war zum damaligen Zeitpunkt schwanger. In dem Zustand wurde sie peinlich befragt. Das Urteil wurde sechs Wochen später gesprochen, nachdem sie geboren hatte."

Der Zwickturm wurde 1792 abgerissen, die Folter dann laut Kolbet 1795 abgeschafft. Frauen wurden meist nur wegen Hexerei, Zauberei und Trudnerei angezeigt, "aber Hexen hatten wir in Höchstadt keine", sagt sie. "In Schlüsselfeld war es sehr, sehr schlimm, die hatten Hexen ohne Ende. Lediglich zwei Verdachtsfälle gab es bei uns. Eine Frau in Schwarzenbach hat behauptet, dass sie, wenn sie auf ihrem Dreifuß sitzt, hören könne, was im Ort geredet wird." Dann war da laut Kolbet noch die Frau eines Bauern aus Greiendorf, die Kröten gehalten hat.

Die Hobby-Historikerin berichet, dass es aber ein Verbrechen gab, welches für Frauen schwer wog und mit Ertränken bestraft wurde: den Kindsmord. "Im 16. Jahrhundert gab es das häufig, im 18. Jahrhundert sehr häufig aufgrund der sozialen Situation. Das waren bitterarme Menschen." Kolbet erklärt, dass es meist Dienstmädchen und Mägde waren, die nicht selten von ihrem Arbeitgeber in andere Umstände gebracht wurden. "Die Frauen wurden gefesselt und in einen Sack gesteckt, den sie selbst nähen mussten, und dann ertränkt", verdeutlicht Kolbet das Vorgehen.

Ehrenhafte Enthauptung

Sie erzählt, dass Frantz Schmidt, auch "Meister Frantzen" genannt, ein Henker aus Nürnberg, um 1600 eine Eingabe beim Nürnberger Rat machte, woraufhin die Frauen mit einem Schwert enthauptet statt ertränkt wurden. "Abgesehen davon, dass es schneller ging, war das ein ehrenhafter Tod und sie konnten in geweihter Erde beerdigt werden."

Eine dieser Frauen war Margarete Lubach. Schwanger vom eigenen Bruder hatte sie ihr Kind getötet. "Am 11. März 1600 wurde sie auf dem Sauanger, einem Platz zwischen der Stadtmühle und dem ehemaligen E-Center, öffentlich hingerichtet. Diebe hingegen wurden am Galgenberg gehenkt, Raubmörder wurden gerädert und nach dem Tod auf ein Rad gebunden und dort aufgehängt."

Ein weiterer Halt ist in der Gerbergasse. "Hier haben die ,unehrlichen‘ Leute gelebt. Henker, Büttel, Bader, Gerber, Totengräber, Abdecker, Hundeschlager und auch Straßenkehrer", zählt Kolbet auf, "alle, die mit Krankheit, Tod und Unrat zu tun hatten. Das war wie heute Corona, man hielt Abstand".

Oben am Schlossberg dann doch noch ein Mord. Dort, wo das große, steinerne Kreuz steht. "Allerheiligen 1514 hat an dieser Stelle Fritz Marschalk von Wildenberg einen Maximilian Tannhauser vermutlich im Streit entleibt", erzählt Kolbet. "Beide waren adliger Abstammung, sodass der Täter sich mit den Angehörigen des Opfers außergerichtlich einigen konnte, was bei Totschlag möglich war." Laut der Stadtführerin gehörte neben Wallfahrten nach Aachen und nach Rom und Unterstützung der Familie das Aufstellen eines solchen Rechtsmals mit zur Wiedergutmachung. "Es finden sich noch einige große Sandsteinkreuze, das sind Sühnemarker, wo jemand gewaltsam zu Tode kam."

Aber wie war denn der genaue Ablauf eines Verfahrens, wenn man nicht um ein solches herumkam? "Nach dem Geständnis wurde am Rathaus die Glocke geläutet", sagt Kolbet, "dann kamen die Leute zusammen zur öffentlichen Gerichtsverhandlung. Das passierte an der Schranne, dem Gerichtsplatz. Das Urteil wurde gefällt und es gab ein Henkersmahl. Meist waren das ja arme Schweine, da konnten die sich das erste Mal richtig satt essen. Mit einer Prozession ging es aus der Stadt raus. Das war ein Riesenspektakel, wie Altstadtfest und Kerwa auf einmal." Über die alte Aischbrücke ging es laut Kolbet entweder zum Galgenberg oder zum Sauanger.

"Die letzte Hinrichtung hat 1699 stattgefunden", sagt sie, "Johann Merck, ein Maler aus Bamberg, und Fritz Hoffmann, Jäger aus Röbersdorf." Kolbet erzählt, dass beide Rädelsführer bei den Plünderungen der Juden waren, denen man damals für alles die Schuld in die Schuhe schob, in diesem Fall für die Hungersnot. Merck wurde gehenkt, Hoffmann enthauptet.