Ich war es von klein auf gewöhnt, anderen Leuten zu helfen (Pfadfinder, Feuerwehr, Ersthelfer, Ministrant, Zivi bei der Caritas), aber selber empfand ich es als sehr schwer vorstellbar - ja als geradezu etwas Verwerfliches, Unethisches, seine Sachen nicht selber hinzubekommen und in so einer Form auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein."
In den darauffolgenden Monaten wurde zunehmend klarer, wie heftig und nachhaltig das Schicksal tatsächlich zugeschlagen hatte und welche vielfältigen - nicht vorstellbaren Kosten und Lasten in so einer Situation entstehen. Zudem erlangte Tobias die - wie er sagt - "allzu schmerzliche Erkenntnis, dass die sozialen Sicherungssysteme in Spezial- und Extremfällen allzu schnell an ihre Grenzen stoßen".
Auch Juli habe unweigerlich nach und nach mitbekommen, was die Situation letztendlich auch in finanzieller Hinsicht bedeutet. "Das hat sie zusätzlich extrem belastet."
Immer wieder hätten in dieser ersten Zeit Freunde und Bekannte angefragt, ob sie nicht versuchen sollten, eine Spendenaktion ins Leben zu rufen. "Jedoch dauerte es fast ein Jahr, bis wir soweit waren, den Weg an die Öffentlichkeit endlich zulassen zu können - wir schämten uns aber dennoch innerlich dafür", gesteht Tobias.
Große Anteilnahme
"Als wir dann das Angebot des Coburger Tageblatts bekamen und der Spendenaktion von ,Franken helfen Franken' zustimmten, wurden wir von den Reaktionen fast durch die Bank sehr sehr positiv überrascht. Wir erhielten reihenweise Nachrichten, die unsere Entscheidung bekräftigten, und Anfragen, ob die Artikel auch in Teilen der sozialen Medien verbreitet werden dürfen. Uns wurde allmählich klar, dass offenbar manche Leute quasi nur darauf warteten, uns unterstützen zu können!" Es wurden liebevoll gestaltete Karten und Geschenke (auch für die Kinder) sowohl persönlich als auch anonym vorbeigebracht und diverse Aktionen gestartet, deren (Verkaufs-) Erlöse dann voll oder anteilig weitergegeben wurden. Aber auch von außerhalb Oberfrankens meldeten sich Leute mit kleinen Aktionen wie "Thüringer-helfen-Franken" oder "auch Niederbayern helfen Franken". "Sehr berührt waren wir auch von der großen Unterstützungsbereitschaft lokaler (und auch überregionaler) Vereine, Unternehmen, Kommunen, Mandatsträgern, Sozialverbänden, Stiftungen, der Kirche sowie auch Privatpersonen und Familien. Wir erlebten viele, viele mit Herzblut und viel persönlichem Engagement initiierte und zu unseren Gunsten durchgeführte Aktionen und sind von Herzen dankbar und gerührt über so viel Menschlichkeit und soziales Engagement", schreibt uns Tobias in einer Mail.
Konzert vor der Haustür
Auch erlebte die Familie, dass viele Leute - darunter auch Nachbarn und Kollegen - Essen kochten und vorbeibrachten oder auch mitunter kleine unterstützende handwerkliche Hilfen anboten oder ein Weihnachtskonzert vor der Haustür veranstalteten.
Für Juliane war besonders rührend, dass sie ein Päckchen mit einem Stoffpferd bekam. Auf einer Karte stand: "Meine Tochter hat ihre Situation mitbekommen und glaubt, dass Laurena in dieser Situation unbedingt ein Stoffpferdchen braucht."
Eine tolle Überraschung gelang auch dem Verein Neues Wohnen Coburg, der beim VR Adventskalender 500 Euro gewonnen hatte und über Radio Eins am 24. Dezember mitteilte, diesen Betrag aufzustocken und an "Franken helfen Franken" für Juliane zu spenden. "Eine tolle Aktion, dass ein Verein, der es selbst gut gebrauchen könnte, das dann auch noch aufstockt und weitergibt", findet Juliane.
"Wir werden alle Gelder ausschließlich Projekten zuführen, die die Selbstbestimmtheit von Juliane trotz ihrer massiven Behinderung im Rahmen des Möglichen fördern und ihr und den Kindern eine möglichst große Teilhabe am Familienleben ermöglichen", verspricht Tobias Kuhnlein.
Was möglich ist, wird möglich gemacht
Zwischenzeitlich sind die Planungen für die aufwendige Aufzuganlage weit vorangeschritten und der Bauantrag genehmigt. Auch sei der Badumbau fertig geplant und schon erste Vorarbeiten am Laufen. Die Statikberechnungen zur Entnahme zweier Wände und zur Verbreiterung zweier Türen sind abgeschlossen.
Der Rückbau einer einschränkenden Treppe steht kurz vor Umsetzung. Der behindertengerechte Umbau der Küche und des Essbereichs ist angestoßen und in Planung.
"Was möglich ist, möchten wir für Juliane möglich machen. Die Kosten aller entsprechenden Maßnahmen werden nach aktualisiertem Stand zwischen 400 000 und 500 000 Euro liegen."