"Die gute Nachricht bröckelt beim genauen Hinschauen"

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von unserem Mitarbeiter Rainer Glissnik Rödental — "Gute Neuigkeiten für Langzeitarbeitslose" hieß es kürzlich in einer Pressemitteilung des Jobcenters Coburg Stadt. Ein Bundesprog...

von unserem Mitarbeiter Rainer Glissnik

Rödental — "Gute Neuigkeiten für Langzeitarbeitslose" hieß es kürzlich in einer Pressemitteilung des Jobcenters Coburg Stadt. Ein Bundesprogramm soll dazu beitragen, die Zahl der Menschen, die schon sehr lange auf eine neue Beschäftigung warten, zu senken. Beim jüngsten Erwerbslosentreffen des "Clubs der Arbeitssuchenden" sorgt dies für heftige Verärgerung. In dem Club sind engagierte Erwerbslose aus den Kreisen Coburg, Kronach, Lichtenfels und Sonneberg vertreten.
"Die gute Nachricht bröckelt beim genauen Hinschauen. So titanisch die Anstrengung, so wenig wird sie allerdings positiv wirken", hieß es (auf die Nennung von Namen wurde verzichtet, um die Arbeitschancen der Betroffenen nicht noch mehr zu verringern). Das Problem sei, dass nicht die Menschen, sondern die gewandelten Produktionsbedingungen die vornehmliche Ursache heutiger Arbeitslosigkeit sind. Man hätte Betroffenen schon viel früher die Chance zur Umschulung oder Weiterbildung geben müssen. Stattdessen habe man sie "nur endgelagert".


Arbeitsmarkt mehr als gesättigt

Heute sei der Arbeitsmarkt mehr als gesättigt, so die Meinung. Der Großteil der heutigen Erwerbslosen sei aufgrund einer Produktionsverlagerung ins Ausland und durch die zunehmende Produktionskraft der Maschinen von der Arbeit "freigestellt" worden.
Die Teilnehmer des Treffens stellten sich viele Fragen: "Wo ist die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt? Von welchen freien Arbeitsplätzen ist die Rede? Will man uns schon wieder das alte Märchen eines Facharbeitermangels auftischen?" Dieser existiere für Unternehmer schon, wenn sich auf eine ausgeschriebene Stelle nicht gleich fünfzig oder mehr Kandidaten bewerben. Wenn es einen Mangel an Arbeitskräften gebe, wie könne es dann sein, dass so viele Stellen für Berufseinsteiger nur befristet angeboten werden?
Menschen mit bester Qualifikation hätten mit Ende vierzig, Anfang fünfzig faktisch keine Chance mehr auf dem deutschen Arbeitsmarkt, sagte ein Teilnehmer. Und: "Wir sehen den Lockruf der Unternehmen und ihrer Verbände um die Integration von Migranten mit wachen Augen." Die meisten Flüchtlinge seien jung, gut ausgebildet, hoch motiviert und vor allem bereit, zu niedrigeren Löhnen zu arbeiten. "Solche Arbeitskräfte werden in Deutschland gesucht." Ein anderer Teilnehmer befürchtete, dass jetzt dafür gesorgt werde, die "Reservearmee von Arbeitskräften" genügend groß zu halten, um den Niedriglohn aufrechterhalten zu können. "Es mag zynisch klingen, aber der Bundesregierung scheint das aktuelle Geschehen ganz recht zu kommen, um von anderen Themen abzurücken und sich als Hüter der Humanität aufzuspielen, obwohl durch Hartz IV die Menschenwürde von Millionen von Menschen seit zehn Jahren mit Füßen getreten wird", beklagte ein Langzeitarbeitsloser.
Gerade Oberfranken habe enorm viele Arbeitsplätze verloren. Statt über eine Lösung des Problems nachzudenken, würden die ehemals Freigestellten mit Billiglöhnen in den Arbeitsmarkt gepresst, der sie längst ausgestoßen hat. Der Großteil aller Beschäftigungs- und Fortbildungsmaßnahmen in Hartz IV sei sinnlos und habe nur den Sinn, Betroffene zu kontrollieren und die Arbeitslosenzahlen zu beschönigen, so die Kritik.


Dankbar für Almosen

Beim Club der Arbeitssuchenden herrschte eine tiefgehende Verärgerung. Die Armut im Lande steige weiter rasant an. Anstatt wirksam dagegen vorzugehen, würden die Verhältnisse entweder geleugnet, schöngeredet oder einfach so organisiert, "dass die Armen sich für ihre Armut auch noch selbst verantwortlich fühlen und für ihre Almosen noch dankbar sind".