"Venezianer" im Frankenwald
Silber war nach Gold das gesuchteste und teuerste Metall. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass "Venezianer" in Erscheinung traten, die bereits im 16. Jahrhundert erwähnt werden. Es waren fremde Erz- und Mineraliensucher von südlich der Alpen, die meist für Goldsucher gehalten wurden. Aufgrund ihrer fremden Sprache und ihres unverständlichen Tuns in den Bergen regten sie in ganz Mitteleuropa zur Sagenbildung an. Dabei werden ihnen auch magische Eigenschaften zugeschrieben. Sie gelten als zauberkundige und geisterhafte Fremdwesen und als Verfasser der sogenannten "Walenbücher", das sind mutmaßliche Wegbeschreibungen zu verborgenen Schätzen und reichen Erzadern. In einer alten Aufzeichnung heißt es: "Drei Acker abwärts der Erlabrucken ist ein bleihaltiger Stollen, wo ein Zentner Gestein sechzig Unzen Blei enthält. Männlein aus Venedig seien herausgekommen und hätten dort mitgebaut." Berichtet wird auch von einer unterirdischen, rätselhaften Welt. Von geheimen Gängen und Klüften, die bis hinüber ins Remschlitztal führen sollen. Sogar von Grotten mit verborgenen Schätzen ist die Rede. Alte Wallenfelser Flößer und Holzmacher erzählten von einem Zwerg, der im Berg hauste. Die Leute nannten ihn nur das "braune Silberbergzwerglein".
Den Beinamen "braun" erhielt er, weil sein Wams und sein Höschen braun waren. Braun wie eine reife Haselnuss waren auch seine Haare und sein bis an die Knie reichender Bart. Braun waren seine Augen und sanft wie die eines zahmen Rehleins. Das Wichtelmännchen ließ sich nur ganz selten sehen. Es half oft guten und fleißigen Menschen, die unverschuldet in Not geraten waren, aus ihrer Bedrängnis.
Überhaupt spielte der Aberglaube unter den Bergleuten eine große Rolle. Nicht allein die Berggeister, die dem einen Glück, dem anderen Unglück brachten, bewegten die Gemüter. Man glaubte, durch Zauberei die Erzführung beeinflussen zu können. In einem Stollen "unter Steinwiesen gegen die Geyersmühle am Dorfgründleins Endung" habe vor Zeiten ein thüringischer Bergmann, den man nicht einlassen wollte, das Bergwerk "verthan" und die Metalle in andere Materialien verwandelt. Der daraufhin der "zauberey" beschuldigte Bergmann gab unter Folter und "peinlicher Befragung" die ihm zur Last gelegten Beschuldigungen zu. Das Protokoll bestätigt, "wie er kurz vor seinem End gestanden habe".
Im Jahr 1549 stand das Bergwerk wieder den Landesherren zur Verfügung. Bischof Weigand von Redwitz ließ zur Verbesserung und Hebung des Handwerks eine Schmelzhütte errichten, die näher bei den Gruben und moderner ausgestattet war. Doch der Dreißigjährige Krieg (1618 - 1648) brachte den Bergbau erstmals zum Erliegen.
Unter Bischof Franz von Schönborn wird 1729 wieder von "neuen Aufbrüchen mit gutem Blei" berichtet. Ungeachtet dieser Erfolge scheint eine Absatzkrise entstanden zu sein. Streit und Zwietracht über nicht eingehaltene Verträge seitens der Obrigkeit hinderten zusätzlich das Bergwesen. Im Siebenjährigen Krieg (1756 - 1763) kam der Abbau erneut zum Stillstand. Allmählich verfielen die Stollen und mit dem Ende der Fürstenherrschaft wurde der "alte Bergbau" eingestellt.
Im Jahr 1856 konnte durch Finanzierung der Freiherren von Künsberg-Langenstadt ein neuer Stollen, die "Carlszeche", in den Berg getrieben werden. In den 250 Meter langen Gängen fanden sich allerdings nur geringe Spuren von abbauwürdigem Erz. Auch die Schätze aus der Sagenwelt blieben unentdeckt, so dass dieses Unternehmen 1874 wieder zum Erliegen kam.
Zuletzt Blei für Geschosse
Als im Ersten Weltkrieg das für die Herstellung von Geschossen wichtige Blei knapp wurde, erinnerte man sich an den Silberberg. Im Winter 1917/18 wurde geschürft und die "Carlszeche" noch einmal unter Abbau genommen. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges erlosch auch diese letzte Mission.
Seitdem ist es still geworden in den Stollen. Das klare Bergwasser hat die Gruben aufgefüllt, die Eingänge sind mit Hangschutt zugedeckt und nur noch selten findet man eine Öffnung, die groß genug ist, einen Menschen einzulassen in jenes unterirdische Reich, in dem nur noch das "braune Silberbergzwerglein" in unseren Träumen weiterlebt.