Ausstellung Das Thema "Häusliche Gewalt" ist kein Tabu mehr. Mehr Frauen aus dem Landkreis Bad Kissingen suchen Hilfe im Frauenhaus.
VON Isolde Krapf
Bad Kissingen — Häusliche Gewalt hat viele Facetten. Das sieht man in der aktuellen Ausstellung im Landratsamt. Das Faszinierende ist der "Blick dahinter": Die heile Welt wird dabei zur bitteren Realität. Wechselt der Betrachter nämlich seine Position vor der dargestellten Alltagsszene, sieht er auch die Verletzungen und blaue Flecke der Betroffenen. Am Mittwoch fand zudem im Landratsamt eine Fachtagung zum Thema "Häusliche Gewalt im Alter und in der Pflege" statt
(siehe Bericht unten). Lange Zeit war das Thema tabu, inzwischen ist es öffentlich. In Bad Kissingen gibt es seit 2002 einen Runden Tisch, der dazu beitrug, dass sich Frauen mit Gewalterfahrung öfter beraten lassen als früher.
Die Wanderausstellung des Bayerischen Sozialministeriums ist seit 12. Juli 2011 in den Regierungsbezirken unterwegs. Zuletzt waren die Exponate in Schweinfurt zu sehen, noch bis 28. Juli kann man sie in Bad Kissingen betrachten, bevor sie in Haßfurt gezeigt werden. "Betroffene Frauen sehen, dass sie über das oft Unaussprechliche doch sprechen und dass sie Schutz finden können", sagt Gertrud Schätzlein, Leiterin des Schweinfurter Frauenhauses. Denn aus ihrer Arbeit mit Frauen und Kindern, die Gewalt erlebten, weiß sie, wie wichtig es ist, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren.
Schließlich haben nach einer repräsentativen Studie des Familienministeriums aus dem Jahr 2004 rund 42 Prozent der befragten Frauen zwischen 16 und 85 Jahren psychische Gewalt und rund 25 Prozent sogar körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. Dennoch trauen sich Frauen oft nicht, diese Erlebnisse bei der Polizei oder einer Beratungsstelle vorzubringen, sagt Schätzlein. Deshalb müssen Freunde und Nachbarn informiert sein, soll die Polizei über das Thema Bescheid wissen, ist es nach Schätzleins Ansicht wichtig, ein Netzwerk der Hilfe zu schaffen.
Runde Tische sind diesbezüglich sehr wirksam. Denn sie führen Menschen unterschiedlicher Beratungs- und Dienststellen zur Problemlösung zusammen. In Schweinfurt entwickelte sich aus diesem Netzwerk das bayerische Modellprojekt "Schwerpunktsachbearbeiter Häusliche Gewalt" bei der Polizei. Inzwischen hat jede Polizeidienststelle einen Beamten oder eine Beamtin, der/die sich in der Materie auskennt.
Runder Tisch erfolgreich Auch der Runde Tisch in Bad Kissingen zeigt laut Schätzlein Erfolge. Die Teilnehmer nehmen das Thema nämlich bei den Tagungen jedes Mal mit in ihren Berufsalltag und können Betroffene entsprechend beraten oder auf Hilfsangebote aufmerksam machen. So kommen inzwischen (2013) die meisten telefonischen Anfragen an das Frauenhaus Schweinfurt von Betroffenen aus dem Landkreis Bad Kissingen, weiß Schätzlein.
Was die persönlichen Beratungsgespräche angeht, stammen die meisten Frauen freilich aus Stadt und Landkreis Schweinfurt. Aber auch in dieser Statistik folgt dann gleich der Landkreis Bad Kissingen vor den Haßbergen und Rhön-Grabfeld.
Ähnlich sieht es bei der Herkunft der Frauenhausbewohnerinnen aus. Knapp 32 Prozent stammten 2013 aus dem Landkreis Schweinfurt, aber jeweils 22 Prozent aus der Stadt Schweinfurt und dem Landkreis Bad Kissingen, während jeweils zwölf Prozent aus den anderen beiden Landkreisen Haßberge und Rhön-Grabfeld kamen. Der Bedarf wächst, hat Schätzlein festgestellt. Auch 2013 mussten 76 Frauen wegen Platzmangels im Frauenhaus abgewiesen werden. Die vor 20 Jahren für das Frauenhaus vorgesehenen zwölf Plätze sind "einfach zu wenig", sagt die Leiterin und zitiert eine Empfehlung des Europarats aus dem Jahr 2006, in der ein Frauenhaus-Platz für 7500 Einwohner vorgeschlagen wird.
"Das wären 59 Plätze für die Region Main-Rhön. Ich wäre schon mit der Hälfte zufrieden", sagt Schätzlein. Denn sie weiß ja, dass dann auch die Landkreise mitziehen müssten. Seit 1990 beteiligen diese sich nämlich mit zusammen rund 70 Prozent an der Finanzierung der Schweinfurter Einrichtung.