Das Beben

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Neulich, es war gegen 23 Uhr und ich lag lesend in meinem Bett, da kam es zu einem leichten Wackeln meiner Schlafstätte. Das machte mich stutzig, weil um diese Uhrzeit ja nur höchst selten Sattelschle...

Neulich, es war gegen 23 Uhr und ich lag lesend in meinem Bett, da kam es zu einem leichten Wackeln meiner Schlafstätte. Das machte mich stutzig, weil um diese Uhrzeit ja nur höchst selten Sattelschlepper oder Panzerkolonnen unter meinem Fenster durchfahren. Eine U-Bahn fährt meines Wissens unter meinem Haus auch kaum durch. In so einem Fall zieht man schon mal in Betracht, dass einen womöglich das soeben Gelesene erschüttert haben könnte. Oder bebte ich gar vor Rührung? Oder war das leichte Beben jetzt eben gar ein Schlaganfall, so einer von der leisen Sorte? Einen Fieberschub konnte ich nach Befühlen meiner Stirn jedenfalls ausschließen, und schaute darum zur Sicherheit mal nach, ob ich womöglich gar nicht alleine im Bett lag. Vielleicht war ich ja diesbezüglich in was hineingeraten und es bebte darum, aber nein, ich stellte fest, dass ich tatsächlich alleine war und sich niemand an mir verging.

Weil ich in einem Mietshaus lebe, verfiel ich nun auf den Gedanken, dass das Wackeln ja von den Nachbarn unter mir verursacht worden sein könnte. Vielleicht kam es in deren Buden ja zu einer Party oder wenigstens zu einer Orgie. Aber ich konnte lauschen so viel ich wollte, es war still im Haus. Darum wandte ich mich wieder mir selbst zu und da ich mich mit der Vorstellung eines eigenen Schlaganfalls nicht recht anfreunden mochte, sah ich sicherheitshalber mal unter der Bettdecke nach, ob sich dort ein Grund für das Wackeln fände. Doch da war alles wie immer, da waren nur die leeren Joghurtbecher, das Waffeleisen, der Wanderpokal, Durants Kulturgeschichte der Menschheit (Band 12) und mein Tennisschläger.

Also es ist manchmal schon erstaunlich, was sich so alles ansammelt, wenn man Besuche bekommt. Da es erst 23 Uhr war, entschloss ich mich, den ganzen Kram ein bisschen aufzuräumen und der Sache mit dem Gewackel eingehender auf den Grund zu gehen. Dazu rief ich einen umseitig gebildeten Kumpel an und sorgte dafür, dass der deshalb aus dem Schlaf gerissen wurde.

Er achtet sehr auf seine Schlafenszeiten, aber er kann mir bei meinen Anrufen auch nicht böse sein. Wie ich von ihm erfuhr, gibt es in Deutschland durchaus auch tektonische Bewegungen und somit ab und zu mal Erdbeben. Einmal, so erzählte mein Kumpel, habe er das im Ruhrgebiet sogar selbst erlebt. Trotzdem konnte er es sich nicht verkneifen, mich zu fragen, ob ich das Wackeln nur träumte, oder ob ich womöglich einen im Tee habe. Als ich meinem Kumpel hoch und heilig versicherte, nahezu völlig nüchtern zu sein, wurde er nahezu wieder völlig ernst.

Eigentlich, so meinte er, seien Erdbeben in Deutschland ja eher so im Oberrheintal zu finden und weniger bei uns am Obermaintal. "Vielleicht hat sich das Erdbeben ja vertan", warf ich ein und verwies auf die ja nun wirklich verwechselbare Ähnlichkeit der Adressen Oberrheintal und Obermaintal. Einen Moment lang herrschte Schweigen am Telefon, dann wünschte mein Kumpel eine gute Nacht und nicht mehr behelligt zu werden. Also telefonierte ich anderntags im weiteren Bekanntenkreis herum und suchte in Erfahrung zu bringen, ob dort auch jemand gegen 23 Uhr ein Wackeln gespürt habe.

Doch da war nichts, niemand konnte sich diesbezüglich an etwas erinnern. Also zog ich in dieser Angelegenheit ganz für mich alleine meine Lehren aus dem Wackelvorfall. Punkt 1: Es ist wirklich dringend notwendig, von Zeit zu Zeit mal unter der Bettdecke aufzuräumen. Punkt 2: Leere Joghurtbecher gehören in den gelben Sack.