Kissinger Sommer Im Innenhof dies Luitpoldbades sorgten der Trompeter und Band für einen unvergesslichen Abend unter freiem Himmel. Warum sein neues Album "On Vacation" so lange auf sich warten ließ.
Einen hervorragenden Einstand feierte in diesem Jahr der Innenhof des Luitpoldbades als Freilichtauditorium des Kissinger Sommers. Der Trompeter Till Brönner und seine Band hatten die Massen elektrisiert. An der Abendkasse gab es praktisch keine Karten mehr - und das bei 1000 Plätzen. Das gab es bisher nur bei Nigel Kennedy vor fünf Jahren. Und auch die Rahmenbedingungen waren optimal. Die Sonne war gerade untergegangen und konnte niemanden mehr blenden oder stechen, und der Sound war perfekt ausgesteuert: nicht zu laut, was bei großen, weiten Konzerträumen gerne passiert, und ausgezeichnet durchhörbar. Wenn die Klänge sich schärften, war das gewollt.
Till Brönner hatte aber auch wirklich tolle Kollegen dabei: Bruno Müller (Gitarre), Rainer Böhm (Klavier), Christian Frentzen (Keyboard), Mark Wyand (Tenorsaxofon), Christian von Kaphengst Bass) und David Haynes (Schlagzeug) - alles Leute, mit denen er schon lange musiziert und die sich blind verstehen und die auf jede spektakuläre Geste der zur Schau gestellten Schwierigkeit verzichten können, sondern einfach nur - durchaus auch komplizierte - Musik machen und selbst in den Hintergrund treten. Für den Zuhörer hat das den positiven Effekt, dass er sich immer mehr auf die Musik konzentrieren kann, weil er auf der Bühne kein Spektakel verpasst.
Natürlich stand Till Brönners neues Album "On Vacation" ein bisschen im Vordergrund - aber wesentlich weniger als erwartet. Das ist tatsächlich noch vor Corona in Südfrankreich produziert worden, aber jetzt erst erschienen, weil man der Meinung war, das Thema würde nicht zur Zeit passen, weil man keine erfüllbaren Urlaubsgefühle wecken wollte. Das kann natürlich passieren, wenn man die Titel kennt, die Assoziationen wecken. Denn ein Titel wie "Lavender Fields" lässt an die weiten Anbauflächen unter brütender Sonne denken, aber die Musik öffnete ganz allgemein weite Klangräume, die sich im Zusammenspiel füllen.
Ansonsten war das Programm eine abwechslungsreiche Zeitreise durch 50 Jahre Jazzgeschichte, von älteren, bewährten Jazz-Standards bis zu Free Jazz, und keineswegs nur aus Europa. Sie reichte von Sascha Distels 1969 geschriebenem und von Frank Sinatra gerne gesungenen "Good Life" bis zu "On Vacation", Da erklang das von Neil Diamond und Gilbert Bécaud herausgebrachte "C'est en septembre", das schon Till Brönners Mutter so gerne gehört hat. Da hörte man Musik von Dave Grusin aus dem Film "The Fabulous Baker Boys". Da spiegelten sich Till Brönners Reisen nach Südamerika in Kompositionen von Toninho Horta oder João Donato mit dessen "Café com Pão" einem Bossa Nova, bei dem Till Brönner nicht nur Flügelhorn spielte, sondern auch sichtbar sang. Da spielte die Brönner-Band ihre Version von Carlos Santanas "Europa" oder die Bluesballade "Save Your Life for Me" von Nancy Wilson.
Letztlich war es nicht wichtig, was die Band an diesem Abend spielte. Sondern wie sie es spielte. Man merkte sofort, dass da ein Septett auf der Bühne stand, das aufeinander eingespielt war und auch sensibel aufeinander reagierte. Es waren nicht einzelne Soli, die aus der Menge der Töne herausstachen, mit denen sich die Musiker individuell profilieren mussten - es aber trotzdem auch nicht ungern taten - sondern es war das Einverständnis in der Gemeinsamkeit, in der jeder genau wusste, in welche Richtung die Sache gehen sollte und die dabei trotzdem den Charakter der Spontaneität wahrten. Und es waren meistens höchst kompliziert strukturierte Kompositionen und Arrangements, die auch die Zuhörer forderten. Dass alle hervorragende Techniker sind, wusste man schon vorher. Insofern steckten die Spannungen, die der Abend hervorbrachte, nur in der Musik.
"Zugabe am schönsten"