Noch bevor die Corona-Welle Deutschland überrollt hat, hat der Tierschutzverein Hunde aus Spanien nach Kronach geholt. Hier bekommen sie eine zweite Chance. Doch die regelmäßigen Transporte sind nicht unumstritten.
Der Himmel ist grau, es ist kalt und regnet in Strömen. Bei diesem Wetter mag kein Hund vor die Tür. Dieses Sprichwort trifft nicht auf Tinga und Tingo zu. Aufgeregt wedeln der etwa sechsjährige Rüde und seine zwei Jahre jüngere Freundin mit dem Schwanz, während die Tierheim-Mitarbeiterin ihnen Leinen anlegt. Vor der Tür warten schon die freiwilligen Gassi-Geher auf das dynamische Duo. Voller Vorfreude springen die beiden Spanier hoch, schmiegen sich an ihre Beine und lecken dankbar die Hände, die sie streicheln.
Obwohl Tinga und Tingo für ihr Herrchen nicht viel wert waren, sind die dankbar für jedes bisschen Zuneigung und glauben an das Gute in den Menschen. Besagter Mann hat die beiden Podencos im Tierheim Sierra Nevada in Granada abgegeben, einem Partnertierheim der Kollegen in Marktrodach.
Gleichgültige Besitzer
"Podencos sind die klassischen spanischen Rassehunde und wegen ihrem ausgeprägten Jagdtrieb vor allem bei den Jägern dort beliebt", erklärt die stellvertretende Tierheim-Leiterin Katrin Meserth. Sich gleich ein ganzes Rudel der aufgeweckten Rasse zu halten, sei in dem Land am Mittelmeer ganz normal. "Das Problem ist, dass viele Podencos nach der Jagdsaison einfach am Straßenrand ausgesetzt werden, weil sie dann nicht mehr zu gebrauchen sind, oder - noch schlimmer - an einem Baum aufgeknüpft werden."
Tinga und Tingo hatten Glück und wurden im Tierheim abgegeben. Nun hoffen die beiden Vierbeiner auf Menschen, die sie nicht als wertlos erachten. "Sie sind total freundlich und unterwürfig, suchen stark den Kontakt zu Menschen und wollen sich ständig ankuscheln."
Als Gebärmaschine missbraucht
Etwa alle zwei bis drei Monate holt der Tierschutzverein Kronach, der das Tierheim in Marktrodach betreibt, Hunde aus seinen spanischen Partnertierheimen nach Deutschland - und das seit nunmehr über 20 Jahren. "Manche dieser Hunde sind anfangs noch schüchtern, aber allesamt sind absolut freundlich und lieb", beteuert die Tierschützerin, die selbst drei Hunde aus den Transporten adoptiert hat. "Die Tierheime in Spanien würden sonst auf den Hunden sitzenbleiben und hätten keinen Platz, um wiederum Hunde aus den Tötungsstationen zu retten", erklärt die 49-Jährige. Die gebe es in Granada - wie überall in Spanien - leider auch.
Welches Leid viele Hunde in Spanien erdulden müssen, dafür ist Aroha ein lebendes Beispiel. Obwohl die kleine Rehpinscher-Dame bereits vor einem Jahr mit einem Transport ins Kronacher Tierheim kam, zittert sie noch immer am ganzen Körper und duckt sich unsicher, wenn sich Meserth mit einem Handtuch nähert, um sie nach dem Gassigehen abzutrocknen. "Es hat Monate gedauert, bis wir sie anfassen durften. Wenn man sie einmal geknackt hat, ist das ein ganz toller Hund. Sie braucht viel Zeit."
In Anbetracht ihrer Geschichte ist das verständlich: Die ersten vier Lebensjahre verbrachte Aroha bei einem Züchter in Spanien als Gebärmaschine, den ganzen Tag über eingesperrt in einem kleinen Käfig. Wie viele Welpen sie in dieser Zeit zur Welt gebracht hat, wissen die Tierschützer nicht. Nur das: Als die Rasse nicht mehr so nachgefragt wurde, brachte der Züchter Aroha - wie Ausschussware - ins örtliche Tierheim.