Stephan-Herbert Fuchs Auf den ersten Blick war es eine Vorfahrtsverletzung, wie sie jeden Tag zig Mal vorkommt. Ein Verkehrsteilnehmer missachtet das Rechts...
Stephan-Herbert Fuchs
Auf den ersten Blick war es eine Vorfahrtsverletzung, wie sie jeden Tag zig Mal vorkommt. Ein Verkehrsteilnehmer missachtet das Rechts-vor-links-Gebot und schon kracht es. Die Folgen beim Opfer waren im vorliegenden Fall allerdings außergewöhnlich heftig. Der 48-jährige Elektriker hatte unter anderem eine Rippenserienfraktur, einen Schlüsselbeinbruch, eine Lungenverletzung, Verletzungen am Schultergelenk und verschiedene Abschürfungen erlitten. Zweieinhalb Wochen musste der Mann stationär im Krankenhaus bleiben, zwei Mal wurde er operiert, fast ein halbes Jahr war er arbeitsunfähig und noch immer befindet er sich in ärztlicher Behandlung.
Einspruch gegen Strafbefehl
Schuld daran war ein 49-jähriger Arbeiter aus Weismain. Er hatte den Kulmbacher am 1. August des vergangenen Jahres früh gegen 6.25 Uhr an der Kreuzung Wickenreuther Allee/Frankenleite auf die Hörner genommen. Während der Angeklagte mit einem Pkw unterwegs war, kam das Unfallopfer auf einem Roller. Der Mann war bereits im Vorfeld per Strafbefehl, also ohne Verhandlung, wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 1000 Euro (25 Tagessätze zu jeweils 40 Euro) verurteilt worden. Mit seinem Einspruch gegen den Strafbefehl wollte der Angeklagte eine Einstellung des Verfahrens erreichen. Der Rollerfahrer trage eine Teilschuld, er hätte sein Fahrzeug bei den gegebenen Umständen noch zum Stehen bringen können, sagte sein Verteidiger Thomas Hofmann aus
Kulmbach. Weder die Staatsanwaltschaft, noch Richterin Sieglinde Tettmann ließen sich aber darauf ein, so dass der Angeklagte den Einspruch nach 90 Minuten Verhandlung wieder zurücknahm.
Grund dafür waren in erster Linie die schweren Verletzungen, die der Rollerfahrer erlitten hatte. Er hatte an den Unfall nur noch schemenhafte Erinnerungen und war erst wieder in der Notaufnahme des Kulmbacher Klinikums richtig zu sich gekommen. Während am Auto des Angeklagten lediglich ein Kratzer war, hatte der Roller Totalschaden.
Auch der Kfz-Sachverständige aus Burgkunstadt stellte noch vor Erstattung seines Gutachtens unmissverständlich klar: "Hätte sich der Angeklagte vorsichtig in die Kreuzung hineingetastet, dann hätte er den Unfall vermeiden können." Verteidiger Hofmann widersprach: Roller würden anders bremsen als Motorräder, sagte er. Entweder seien die Bremsen beim Roller des Angeklagten nicht aufeinander abgestimmt gewesen, oder das Opfer habe vor Schreck nur die Vorderradbremse betätigt. Somit hätte der Unfall vermieden werden können, der Rollerfahrer trage eine Mitschuld, meinte der Verteidiger.
Das sahen Staatsanwaltschaft und Richterin Tettmann freilich ganz anders. Der Angeklagte habe eine Vorfahrtsverletzung begangen und sich damit eines Fehlverhaltens mit gravierenden Folgen für das Unfallopfer schuldig gemacht. Mit der Einspruchsrücknahme in letzter Minute bleibt nun der Strafbefehl über 1000 Euro gültig.