Nach einer tödlichen Messerattacke auf einen 28-Jährigen in einem U-Bahnhof in Fürth muss ein 20-Jähriger ins Gefängnis.
Äußerlich unbeeindruckt nimmt der 20-jährige Angeklagte am Mittwoch vor dem Landgericht das Urteil entgegen. "Wir sind ohne jeden Zweifel davon überzeugt, dass der Angeklagte den Geschädigten getötet hat und dass dieses Verhalten nicht durch Notwehr gerechtfertigt war", sagt Richter Dieter Weidlich und verkündet im nächsten Atemzug das Strafmaß: sieben Jahre ohne Bewährung. Selbst die Mutter des 28-jährigen Opfers, die direkt gegenüber im Gerichtssaal Platz genommen hat, zeigt keinerlei Reaktion.
Zweifelsfrei stünde laut Gericht fest, dass der Angeklagte sein späteres Opfer mit Messerstichen getötet haben. Acht tödliche Stiche in Brust, Kopf und Rücken habe der Angeklagte seinem Opfer versetzt. Der Angeklagte habe so stark zugestochen, dass die Spitze des Messers im Kopf des 28-Jährigen stecken geblieben sei.
Zuvor waren die beiden Gruppen in einer Unterführung zum U-Bahnhof Jakobinenstraße in Fürth gegen Mitternacht aneinander geraten. Der Hauptangeklagte und sein späteres Opfer waren zuvor mit Freunden auf Partys unterwegs gewesen. Der kleine Bruder des Angeklagten ist sturzbetrunken, als er die Freundin des späteren Opfers anrempelt. Der große will dem kleinen Bruder zu Hilfe kommen.
Weil die Brüder gegen den 28-jährigen Mitarbeiter der Müllabfuhr keine Chance haben, zückt der große Bruder plötzlich das Messer und sticht auf sein Opfer mit voller Kraft ein. Die Verteidiger des Hauptangeklagten hatten auf Notwehr plädiert, weil der 20-Jährige zuvor zwei Faustschläge des späteren Opfers einstecken musste. Dieser Argumentation konnte das Gericht nicht folgen. "Wer in einer Schlägerei den Kürzeren zieht und deshalb zum Messer greift, handelt nicht in Notwehr", hat Richter Weidlich dazu klargestellt und daran erinnert, dass alles auch ganz glimpflich hätte ausgehen können.
Denn als die Auseinandersetzung eigentlich schon vorbei ist - der Angeklagte hat bereits zwei Fausthiebe einstecken müssen - habe das spätere Opfer zu ihm gesagt: "Wenn Du noch was brauchst, dann komm her du Hurensohn."
Dadurch habe sich der Angeklagte so beleidigt und gekränkt gefühlt, dass er sich an das kleine Messer mit der sieben Zentimeter langen Klinge erinnert, dass er zufällig in der Hosentasche dabei gehabt habe. Kurze Zeit später liegt das Opfer blutüberströmt am Boden. Der mitangeklagte kleine Bruder des Angeklagten wurde ebenfalls verurteilt. Der 18-Jährige muss die nächsten zwei Urlaube im Freizeitarrest verbringen, weil er in der Tatnacht im Februar diesen Jahres einem Begleiter des Opfers mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat.
Beim Tathergang habe sich das Gericht weitgehend auf die Aussagen der Angeklagten gestützt. Zum Tatgeschehen habe die Freundin des Opfers schließlich wenig beitragen können, beklagt sich der Richter. Was sie als Zeugin abgeliefert habe, sei sehr von den Medien beeinflusst gewesen.
An den Boulevard-Medien lässt der Richter kein gutes Haar. Durch martialische Wortschöpfungen wie "U-Bahn-Killer" hätten die bunten Gazetten reißerisch und nicht korrekt berichtet. Schließlich sei der Angeklagte kein "Killer". Zu der folgenschweren Auseinandersetzung sei es vielmehr zufällig gekommen. Außerdem sei das spätere Opfer an der Eskalation nicht ganz unschuldig gewesen. Freilich trage der Angeklagte trotzdem die volle Hauptschuld. Allerdings hat der Richter den Angeklagten nach Jugendstrafrecht verurteilt. Man könne die schreckliche Tat als Jugendverfehlung bewerten. Schließlich habe der Angeklagte sich an diesem Abend wie ein Jugendlicher verhalten. "Ich weiß, das klingt merkwürdig, wenn jemand totgestochen wird", sagt der Richter ins Publikum.
Strafmildernd für den Angeklagten hat das Gericht den tadellosen Lebenslauf gewertet. Nach dem Umzug von Polen nach Deutschland schafft der Angeklagte ohne Ehrenrunde die Hauptschule und absolviert erfolgreich eine Ausbildung zum Gleisbauer. Kurz vor der verhängnisvollen Nacht zieht er mit seiner Freundin in eine gemeinsame Wohnung. Zu Gunsten des Angeklagten sei auch seine Entschuldigung bei der Mutter des Opfers zu bewerten. Deshalb ist das Gericht mit sieben Jahren genau zwei Jahre unter der Forderung der Staatsanwaltschaft geblieben.
Die Verteidigung empfindet das Urteil trotzdem als zu hart und kündigt an, "wahrscheinlich" in Revision gehen zu wollen. Richter Weidlich hat in seinem Schlusswort daran erinnert, dass auch der Schuldausgleich eine Rolle beim Strafmaß spiele. Und in diesem tragischen Fall sei ein Mensch auf offener Straße brutal mit acht Messerstichen getötet worden. Deshalb sei ein Strafmaß in Höhe von sieben Jahren für den 20-Jährigen angemessen.
Zu Gunsten des Angeklagten sei auch seine Entschuldigung bei der Mutter des Opfers zu bewerten. Deshalb ist das Gericht mit sieben Jahren genau zwei Jahre unter der Forderung der Staatsanwaltschaft geblieben.
Wahnsinn, eine Entschuldigung bringt zwei Jahre weniger.