Quelle-Pleite: Fürths kleines Wirtschaftswunder

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Oberbürgermeister Thomas Jung vor den Bildern von Quelle-Gründer Gustav Schickedanz und seiner Frau Grete im Fürther Rathaus. Foto: Nikolas Pelke
Oberbürgermeister Thomas Jung vor den Bildern von Quelle-Gründer Gustav Schickedanz und seiner Frau Grete im Fürther Rathaus.  Foto: Nikolas Pelke

Die mittelfränkische Stadt hat das Aus des Versandhausriesen Quelle vor genau fünf Jahren inzwischen abgehakt. OB Jung hält Fürth für ein gutes Beispiel dafür, "wie man aus einer Krise gestärkt hervorgehen kann".

Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. "An diese Horrornachricht vom 19. Oktober 2009 werde ich mich ein Leben lang erinnern", sagt Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) fast genau fünf Jahre nach dem Untergang der Quelle.

Das Ende des Versandhändlers schickte die Stadt schnurstracks in die Krise. "Der größte Arbeitgeber in Fürth stand vor der Abwicklung", erinnert sich Jung noch mit Schaudern an die Zeit vor einem halben Jahrzehnt zurück. Alle Versprechungen der Politik, das angeschlagene Traditionsunternehmen zu retten, hätten sich an diesem Montag vor fünf Jahren in Luft aufgelöst, sagt Jung nicht ohne Bitterkeit in der Stimme. Plötzlich standen in seiner Stadt, die schon die Grundig-Pleite und das Ende von AEG überstehen musste, rund 2000 Menschen auf der Straße. Von einem Tag auf den anderen. Notarbeitsämter wurden eingerichtet.
Experten sagten der Stadt schwindelerregende Arbeitslosenquoten von über zwölf Prozent voraus.

Auch das Leben stand mit dem Quelle-Aus plötzlich still in der Stadt. Sogar die Geburtenraten gingen dramatisch zurück. Die Stimmung war depressiv, an Familienplanung verschwendeten die Menschen keinen Gedanken, erinnert sich Jung. Nach dem Untergang der Quelle drohten auch die menschliche Niedergang. Massenhafte Abwanderung befürchteten nicht wenige zudem.

Dass es zu diesen Schreckensszenarien am Ende nicht gekommen ist, liegt wohl hauptsächlich an drei Faktoren. Erstens förderte der Freistaat die Fürther mit rund 38 Millionen Euro aus einem Sonderprogramm. Zweitens erholte sich die Weltwirtschaft nach der Lehman-Pleite relativ schnell. Und drittens haben sich die Fürther mit einem bisschen Glück erfolgreich einfach selbst geholfen.

Oberbürgermeister Jung spricht sogar von einem "kleinen Wirtschaftswunder", den seine Stadt nach der Quelle-Pleite erlebt habe. Heute habe Fürth den Untergang des Versandhandelsriesen endgültig überstanden. Das würden alle Zahlen und Indikatoren bestätigen. Fürth stehe heute besser da denn je.

Die Arbeitslosenquote liegt in diesem Monat bei 6,6 Prozent. Es gibt über 41.800 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Fürth. Das sind 2200 mehr als im Schreckensmonat vor fünf Jahren. Die Gewerbeeinnahmen sprudeln in ungeahnten Größen. Nach zwei Jahren mit guten 50 Millionen rechnet man heuer sogar mit sehr guten Einnahmen in Höhe von 60 Millionen Euro aus der Gewerbesteuer.


Neue Firmen und Forschung

Fürth ist zudem breiter aufgestellt und fühlt sich nicht mehr so abhängig von einer Branche. Siemens ist mit 3000 Arbeitsplätzen mittlerweile der größte Arbeitgeber in der Wissenschaftsstadt. Zudem haben sich Forschungseinrichtungen in der Fürther Uferstadt ausgedehnt. Mit dem Landesamt für Statistik beherbergt Fürth mittlerweile sogar eine große Landesbehörde. Auch neue Firmen wie den IT-Konzern Atos oder die Laserfabrik Lpkf konnten sie in der gebeutelten Stadt begrüßen. Den alteingesessenen Unternehmen wie Uvex oder Sima geht es außerdem gut, freut sich Jung und lächelt kurz dem Zigarre rauchenden Ludwig Erhard zu, der zuversichtlich von seinem Gemälde auf die Stadt zu schauen scheint.

Gleich gegenüber hängen die Gemälde von Gustav und Grete Schickedanz an der Wand, die ausgerechnet im Monat Oktober des Jahres 1927 den späteren Weltkonzern in Fürth gegründet haben. Warum die Quelle 2009 für immer untergehen musste, das fragen sie sich in Fürth heute freilich noch immer. Die meisten machen die Gier der Manager und die Naivität der Schickedanz-Tochter Madeleine verantwortlich. Notwendig sei der Niedergang nicht gewesen, finden viele. Schließlich wird im Versandhandel immer noch gutes Geld verdient. Freilich nicht mit schweren Katalogen, aber mit schicken Seiten im Internet.

In Fürth sind sie trotzdem froh, dass sie die Quelle-Pleite glimpflich überstanden haben. Vergessen tun sie dabei auch nicht die vielen Einzelschicksale, die heute noch unter dem Aus leiden. Alleine 50 Quelle-Fotografen verloren beispielsweise von heute auf morgen ihren Job.


"Glück gehabt"

In Fürth sind sie nur froh, dass das ehemalige Großversandhaus auf Nürnberger Boden steht. Die Nachbarstadt weiß bis heute nicht ganz genau, was sie mit dem riesigen Industrie-Denkmal an der Fürther Straße anfangen soll. In den ehemaligen Quelle-Gebäuden in Fürth, die über die ganze Stadt verteilt waren, sind mittlerweile überall neue Mieter eingezogen. "Da hatten wir einmal Glück", gesteht Jung und sagt zum Abschied, dass er nun nichts mehr hören wolle von der Quelle. Zu tun bleibt aber genug. "Jetzt kümmern wir uns um den Einzelhandel."