Thomas Feltes ist Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Im Interview spricht er unter anderem darüber, warum oft Emotionen im Vordergrund stehen und wie seiner Meinung nach mit übertriebener Gewalt von Polizisten umgegangen werden sollte.
Herr Professor Feltes, auch die Gewalt gegen Polizisten hat zugenommen. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dem anscheinend höheren Risiko für Vollzugsbeamte im Dienst und den Fällen von Körperverletzung im Amt?
Thomas Feltes: Gewalthandlungen erfolgen zumindest in diesem Kontext immer im Rahmen einer Interaktion zwischen Menschen. Wissenschaftlich ist es nicht erwiesen, ob die Gewalt gegen Polizeibeamte tatsächlich zugenommen hat, oder ob beispielsweise das Anzeigeverhalten der Beamten sich, z.B. auf Druck der Gewerkschaften, geändert hat. Was wir aber sicher wissen ist, dass viele Polizeibeamte einer Anzeige gegen sie wegen Körperverletzung zuvorkommen wollen, um im späteren Strafverfahren eine bessere Ausgangsposition zu haben. Daher erstatten sie auch in den Fällen Anzeige, in denen es keinen oder nur einen leichten Übergriff auf sie gegeben hat.
Gibt es Maßnahmen, um die sich hochschaukelnde Gewalt einzudämmen?
Ja, und diese werden auch in der Ausbildung den Polizeibeamten vermittelt. Allerdings wissen wir aus eigenen Studien, dass dieses Wissen in konkreten Einsatzsituationen oftmals nicht mehr abgerufen wird oder abgerufen werden kann, weil die Dynamik der Situation und vor allem die Emotionen auch und besonders in der Gruppe der eingesetzten Beamten dann im Vordergrund stehen. Das rationale Wissen tritt dann hinter dem emotionalen Handeln zurück. Daher brauchen wir hier handlungsorientierte Fortbildungen - und zwar regelmäßig.
Gibt es in der Polizeiausbildung Ansätze für junge Beamte, um in solchen Situationen nicht die Nerven zu verlieren?
Ja, die gibt es. Viel wichtiger ist aber das Verhalten der Vorgesetzten, sobald die Beamten in der Praxis eingesetzt werden. Wir wissen, dass es sogenannte "Widerstandsbeamte" gibt, also Beamte, die besonders häufig durch gemeldete Widerstandshandlungen und auch eigene, extensive Gewalt auffallen. Hier müssen Vorgesetzte sehr schnell reagieren und konstruktive Vorschläge machen. Sanktionen sind hier nicht hilfreich, eher im Gegenteil. Im Ausland hat man gute Erfahrungen mit Angeboten für besondere Konfliktseminare für solche Beamte gemacht. Dazu muss aber als erstes die Einsicht wachsen, dass es solche Widerstandsbeamte überall gibt und dass man ihr Verhalten keinesfalls dulden darf.
In einem Ihrer Vorträge sagten Sie einmal: "Nicht das Ereignis ist der Skandal, sondern der Umgang damit." Wie sollte mit Fällen von übertriebener Polizeigewalt am besten umgegangen werden?