Vier Beteiligte - vier unterschiedliche Versionen

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Der Prozess gegen den 36-Jährigen muss bei einem weiteren Termin fortgesetzt werden, Foto: Christopher Schulz, Archiv
Der Prozess gegen den 36-Jährigen muss bei einem weiteren Termin fortgesetzt werden,  Foto: Christopher Schulz, Archiv

Ein 25-Jähriger schlägt einen 27-Jährigen mit der Faust. Richterin und Rechtsanwalt streiten über die Strafe, weil sich die Aussagen widersprechen.

Stöhnen und Raunen im Amtsgericht Forchheim. Gerade hatte Rechtsanwalt Gunter Bierfelder Richterin Silke Schneider sechs Gründe dafür genannt, seinen Mandanten freizusprechen. Doch die glaubt an die Fahrlässigkeit des Angeklagten - und das trotz Unstimmigkeiten in den Zeugenaussagen.

Im September 2015 kommt es vor der Forchheimer Bierkneipe "Funzl" zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen. Auf der einen Seite: Der 25-jährigen Angeklagte aus Forchheim mit seinem Freund, auf der anderen Seite das 27-jährige Opfer aus Forchheim, ebenfalls mit einem Freund unterwegs.


Opfer will nur Streit schlichten

Gegen 3.15 Uhr kommt es zu einer Rangelei zwischen den Freunden von Angeklagtem und Opfer. Beide Forchheimer halten sich zunächst heraus, doch dann möchte der Geschädigte den Streit schlichten. Aus Sicht der Kämpfenden und eines Zeugen, eine unverständliche Handlung. "Der Streit war eigentlich vorbei. Ich dachte nicht, dass noch was passiert", so ein Zeuge.

Bis hierhin gleichen die Geschichten von Opfer, Täter und Zeugen einander. Was danach geschehen ist, darüber sind sich die jungen Männer uneinig. Vor Gericht erzählt der Angeklagte, dass das Opfer auf ihn zugegangen sei, um ihn zurückzuhalten. Das habe der 25-Jährige als Angriff gedeutet und mit der Faust zugeschlagen. Das Resultat: Ein schmerzhafter Bruch des Augenbogens und ein Hämatom. "Die Verletzung musste schnell operiert werden, sonst hätte ich mein Augenlicht verloren", sagte das Opfer über die Schwere der Verletzung.

"Es war nicht meine Absicht, ihn so zu verletzen", bedauert der 25-Jährige, der zum Tatzeitpunkt, wie auch der Rest der Beteiligten, stark angetrunken war.

Das Opfer bestätigt größtenteils die Aussage des 25-Jährigen - gibt aber an, mehrmals vom Angeklagten zurückgehalten worden zu sein. "Ich habe darauf hingewiesen, dass das alles ein Ende haben soll. Ich hatte keine böse Absicht. Ich wollte einfach dazwischen gehen", so der 27-Jährige. Um den Angeklagten zu beruhigen, sei der Geschädigte auf den Täter mit erhobenen Armen zugelaufen. "Wenn das falsch interpretiert wurde, kann ich das nicht ändern."

Über die Länge des Kampfes und den genauen Ablauf treffen die Beteiligten während der Verhandlung unterschiedliche Aussagen. Für die einen dauerte die Rangelei gerade einmal 20 Sekunden, für die anderen 15 Minuten. Zudem sei dem Zeugen nicht aufgefallen, dass das Opfer auf den Angeklagten zulief.

Fragen über Fragen, die Rechtsanwalt Gunter Bierfelder auf einen Freispruch plädieren ließen. "Die Aussagen sind nicht deckungsgleich. Mein Mandant ist doch kein Kampfsportler, er hat sich zur Wehr gesetzt." Staatsanwältin Susanne Hansen hingegen zweifelte nicht an der Geschichte des Opfers und forderte eine Geldauflage. "Ich glaube nicht, dass eine Notwehrsituation die Motivation ihres Handelns war", sagte sie zum Angeklagten.
Richterin Silke Schneider sah das ähnlich - verurteile den jungen Mann zu einer Geldstrafe von 4000 Euro und legte ihm die Kosten des Verfahrens auf. "Sie waren mit einer aggressiven Grundstimmung unterwegs. Ich sehe da keine Notwehr." Zu seinen Gunsten berücksichtigte sie, dass sich der Angeklagte freiwillig der Polizei stellte. Denn die hatte zu Beginn eine ganz andere Person verdächtigt. Der Grund: Das Opfer hatte einen anderen Mann beschuldigt.

Um das Missverständnis aus dem Weg zu räumen, klärte der 25-Jährige den Irrtum auf. Eine Tat, die Rechtsanwalt Bierfelder als "ehrenhaft" bezeichnete. Die schwere der Verletzung jedoch ließ keinen Zweifel an der Schuld des Angeklagten. "Sie sind einfach über das Ziel hinaus", schlussfolgerte die Richterin.