Spektakuläre Wende: So geht es mit der Pflegedienst-Chefin aus Forchheim weiter

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Die Chefin eines Pflegedienstes aus Forchheim hat vor dem Landgericht Bamberg erfolgreich Berufung gegen eine Verurteilung wegen Misshandlung eingelegt. Symbolbild: Barbara Herbst
Die Chefin eines Pflegedienstes aus Forchheim hat vor dem Landgericht Bamberg erfolgreich Berufung gegen eine Verurteilung wegen Misshandlung eingelegt. Symbolbild: Barbara Herbst

Im Prozess um die Chefin eines Pflegedienstes aus Forchheim wurde ein überraschendes Urteil gefällt: Die Frau hat erfolgreich Berufung gegen eine Verurteilung wegen Misshandlung eingelegt.

Es ist eine Sensation: Nachdem die Chefin eines Pflegedienstes zuerst vom Amtsgericht Forchheim zu einer Geldstrafe von 20.000 Euro und dann vom Landgericht Bamberg zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung verurteilt worden war, wurde sie nun in der Berufung am Landgericht Bamberg vom Vorwurf der Misshandlung Schutzbefohlener freigesprochen. Die spektakuläre Wende im Prozess kam erst am letzten Verhandlungstag.

Am Ende ging es ganz schnell. Staatsanwalt Andreas Uhlstein brauchte für sein Plädoyer nur wenige Minuten: ein Jahr Freiheitsstrafe zur Bewährung. Rechtsanwältin Annette Voges (Hamburg) kaum länger: Freispruch. Selbst die dritte Strafkammer unter Richter Markus Reznik beriet gerade einmal eine Viertelstunde. "Wir haben erhebliche Zweifel an der Schuld der Angeklagten", sagt e der Kammervorsitzende. Also folgten er und seine beiden Schöffinnen der Verteidigerin.

Zwei Jahre lang gewehrt

Fast zwei Jahre lang hatte sich die nicht vorbestrafte Frau mit allen rechtlichen Mitteln gewehrt, ging es doch um ihren guten Ruf und ihre wirtschaftliche Existenz. Es drohten nicht nur die Gerichts- und Anwaltskosten, auch ein schmerzhaftes Schmerzensgeld stand auf dem Spiel. Auch die Frage, ob sie den Pflegedienst überhaupt weiterbetreiben darf.

Im Gerichtssaal bot sich nach dem Urteil ein differenziertes Bild. Auf der einen Seite hörbare Erleichterung bei den Begleitern der Angeklagten. Auf der anderen Seite stumme Enttäuschung bei der Mutter des angeblich geschlagenen Kindes und deren Anhängern. Darunter befand sich auch die Hauptbelastungszeugin, an deren Aussage als Augenzeugin sich das Schicksal der Pflegedienst-Leiterin entschied. Denn objektive Beweise für die Körperverletzung im August 2016 an dem 16-jährigen schwerstbehinderten Mädchen - medizinische Atteste etwa - gab es nicht. So stand Aussage gegen Aussage, da die Angeklagte vehement bestritt, dem Mädchen Gewalt angetan zu haben.

Vier Verhandlungstage

Am letzten der vier Verhandlungstage tauchten immer mehr Ungereimtheiten auf. So hatte die Hauptbelastungszeugin das Geschehen zuerst stark dramatisiert, indem sie davon sprach, die Pflegedienst-Chefin habe sehr viele Spritzen mit Medikamenten und Tabletten in das Mädchen hineingejagt, bis dieses wahlweise wie ein "Junkie" oder wie ein "Zombie im Rollstuhl" gesessen habe. Davon blieb letztlich nur eine Spritze und eine Tablette, die das an Epilepsie erkrankte Mädchen öfter bekam. Es war von starken Blutungen aus dem Mund die Rede, von einer zerbissenen Zunge und einer Dauer der Schläge über beinahe eine Dreiviertelstunde. Ins Krankenhaus kam die so Verletzte aber nicht.

Bei Aussage geblieben

Die Hauptbelastungszeugin blieb zwar bei ihrer Aussage, sie habe gesehen, wie die Angeklagte dem Mädchen mehrfach mit dem Handballen gegen das Kinn geschlagen habe, um das schreiende Mädchen zum Schweigen zu bringen. "Das war kein Griff", meinte die ehemalige Mitarbeiterin, "ich war schockiert. Das war doch nicht normal." Auch habe die Angeklagte dabei gesagt, damit das Mädchen erziehen zu wollen. Nach der Befragung blieben allerdings mehr Fragen als Antworten. So verfestigte sich der Eindruck, die Vorwürfe dienten nur dazu, der Pflegedienst-Leiterin Schwierigkeiten vor Gericht, beim Jugendamt und bei der Krankenkasse zu bereiten.

Bis zum Hausverbot

Ob es damit zusammenhing, dass sie sich geweigert hatte, der Mutter des Mädchens einen Anteil dafür zu zahlen, dass ihre Firma die Versorgung der insgesamt drei schwerbehinderten Kinder durchführen dürfte, wie mehrere Zeugen bestätigt hatten? Oder damit, dass sich die Angeklagte dagegengestellt hatte, eine Verwandte der Mutter als Mitarbeiterin anzustellen? Vielleicht aber auch, dass der Vorwurf im Raume stand und in die inzwischen verschwundenen Pflegeunterlagen eingetragen werden sollte, die Mutter vernachlässige ihre schwer krankes Tochter. Auch darüber waren die Angeklagte und die Mutter in Streit geraten, der bis zum Hausverbot und Polizeieinsatz eskalierte.

Für die vermeintliche Augenzeugin wird ihr Verhalten im Prozess wohl noch strafrechtliche Folgen haben, hatte sie doch eine Lohnabrechnung vorgelegt, die ihre Glaubwürdigkeit stärken sollte, die aber augenscheinlich manipuliert worden war (Verdacht der Urkundenfälschung). Außerdem hatte sie sich in offensichtliche Widersprüche zu ihren früheren Angaben und anderen Zeugenaussagen verwickelt (Verdacht der uneidlichen Falschaussage). Rechtsanwältin Voges hatte es prophezeit: "Sie reden sich hier um Kopf und Kragen."

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