Spuren aus einer bedrohten Welt

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Matthias Hammer (rechts) mit Peter Piel (von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Bad Kissingen) während einer "Sommerkontrolle" eines Fledermaus-Quartiers. Die weiblichen Tiere ziehen den Nachwuchs in Kolonien auf - ohne die Männchen. Foto: Elisabeth Assmann
Matthias Hammer (rechts) mit Peter Piel (von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Bad Kissingen) während einer "Sommerkontrolle" eines Fledermaus-Quartiers. Die weiblichen Tiere ziehen den Nachwuchs in Kolonien auf - ohne die Männchen. Foto: Elisabeth Assmann

Die Fränkische Schweiz ist ein Paradies für Fledermäuse, das in den 70er Jahren besonders gefährdet war. Ein Schutzprogramm verhalf manchen Arten zu neuer Stärke. Doch das Beispiel Schönsteinhöhle zeigt auch die Grenzen auf

Plötzlich war die Kleine Hufeisennase verschwunden. In den 50er Jahren wohnte sie fast in jeder Kirche der Region, egal ob in Forchheim, Hetzles oder Langensendelbach. In der Schönsteinhöhle (Gemeinde Wiesenttal) war die Hufeisennase über Jahrzehnte die häufigste Fledermausart. "Heute wird sie praktisch nicht mehr vorgefunden", weiß Matthias Hammer.
Der Biologe koordiniert den Fledermausschutz in Nordbayern. Im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) ist der 48-Jährige nun schon seit 24 Jahren damit beschäftigt, Daten zu sammeln und fachliche Beratung anzubieten. Etwa dann, wenn Dachstühle von Kirchen saniert werden. Oder wenn Autobahnbrücken erneuert werden, in deren Hohlkörper oft Hunderte Fledermäuse Quartier nehmen.

Im Arbeitszimmer von Matthias Hammer, im Erlanger Institut für Tierphysiologie, stapeln sich die Akten.
Doch das Artenhilfsprogramm hat seit 1985 nicht nur Spuren in den Regalen und auf dem Schreibtisch von Matthias Hammer hinterlassen; landesweit scheint sich das Bewusstsein für die Bedeutung der Fledermäuse geschärft zu haben. Hammer kooperiert mit Architekten, Pfarrern und Mesnern, mit amtlichen und mit ehrenamtlichen Naturschützern.

Was den Fledermausschutz betrifft, werde der "bayerische Weg" mittlerweile europaweit mit Hochachtung verfolgt. 100 000 Euro investiert der Staat nun seit drei Jahrzehnten jährlich in diese Form des Artenschutzes.
Als etwa die Kirche in Pottenstein neu gedeckt wurde, gelang es dank einer geschickten Bauorganisation, den Lebensraum einer Kolonie von 2000 Fledermäusen zu bewahren. Auch die Schönsteinhöhle wurde dank enthusiastischer Fledermaus-Schützer zu einem behüteten Massenquartier. Nachdem die touristische Befahrung der Höhle die Naturschützer alarmiert hatte, folgte eine Fledermaus-Zählung per Lichtschranke und Fotofalle. Sie ergab, dass in der Höhle nicht nur zwischen 30 und 50 Tiere überwintern (wie ehrenamtliche Zählungen bislang vermuten ließen) - sondern um die tausend.

Neuerdings ist die Höhle daher ab 1. Oktober bis 31. März gesperrt - um den massenhaften Winterschlaf der Tiere nicht zu stören. "Die Fränkische Schweiz ist ein Paradies für Fledermäuse", sagt Hammer. Natürlich wäre es wünschenswert, "dort jedes Quartier zu schützen - auch im Sommer". Denn die Höhlen werden an heißen Tagen von männlichen Fledermäusen als "kühles Wohnzimmer" geschätzt. Außerdem paaren sich hier die Fledermäuse im September. "Sie kommen bis aus Neustadt an der Aisch oder aus Coburg um die Rendezvous-Plätze der Fränkischen Schweiz für die Paarung zu nutzen", erzählt der Erlanger Biologe.

Doch die Experten konnten nicht begründen, dass sich die Fledermäuse im Sommer von der touristischen Nutzung der Höhlen gestört fühlen. Im Winter ist das eindeutig: Die Tiere reduzieren ihre Körpertemperaturen von 37 auf bis zu 2 Grad. Der "Aufwachvorgang" kostet viel Kraft und könne "nicht kompensiert werden". Daher sei der Schutzfunktion der Schön steinhöhle im Winter "die wichtigste". Außerdem würde die ganzjährige Sperrung der Schönsteinhöhle "den Nutzerdruck auf andere Höhlen erhöhen". Um das zu vermeiden, werde die Schönsteinhöhle ein Stück weit "geopfert", sagt Matthias Hammer.

Über 1000 Fledermausarten gibt es weltweit. In Bayern kommen 25 Arten vor. Die Fränkische Schweiz wiederum gilt mit ihren über 1000 Höhlen und Felsenkellern als "Hotspot". Dieser Treffpunkt habe sich über Jahrtausende entwickelt, betont der Erlanger Fledermaus-Schützer. Seine begeisterten Erzählungen über Mops- und Nord-, über Bechstein- und Bart-, über Wasser- und Fransenfledermäuse, werden immer wieder davon unterbrochen, auf die fragile Welt dieser geheimnisvollen Flieger hinzuweisen. Seit nachweislich 50 Millionen Jahren gibt es diese "zarten und vergänglichen" Säugetiere; sie bilden die einzige Tiergruppe, die nachts Schädlinge jagt.
Gefährdet sind die Fledermäuse vor allem durch die Gifte in der Landschaft, die über die Insekten in das Fett und die Muttermilch der Fledermäuse gelangen.

Ohne sie wären Insektenplagen programmiert. Obwohl der Mensch von den (auch) Stechmücken jagenden Fledermäusen profitiert, mag es Matthias Hammer gar nicht, den Artenschutz unter dem Aspekt der "Nützlichkeit" zu betrachten. "Die Natur wird nicht für den Menschen, sondern um ihrer selbst willen geschützt."
In den 70er Jahren erreichte die Fledermausdichte einen Tiefpunkt - nicht nur in der Schönsteinhöhle. Dann legte die Regierung das Schutzprogramm auf. Jetzt sind Arten wie das Große Mausohr und die Wasserfledermaus wieder stark vertreten. Doch Hammers Artenschutz-Optimismus hält sich in Grenzen. "Insgesamt wachsen die Roten Listen." Auch das Überleben der Kleinen Hufeisennase bleibt gefährdet: Gerademal sechs Exemplare gibt es derzeit in Bayern.