Libero und Stopper: Als Josef Kestler noch gegen den Ball trat, hatten die Positionen andere Namen. Heute pendelt er zwischen Sportplatz und Kellerwald.
Das Derby zwischen Schlaifhausen und Reuth beim InFranken-Kick aus der Kreisklasse 2 gewannen die Gäste knapp mit 2:1. Für die Kuckucks-Kicker war es der erste Auswärtssieg, womit sie erstmals seit Ende September die Abstiegsränge wieder verließen. Zeuge dieses äußerst wichtigen Dreiers - und ganz nah dabei - war Josef "Seppa" Kestler als Linienrichter.
Das inzwischen 72-jährige Urgestein, überall als "der Kestlers-Seppa" bekannt, gibt der jüngeren Generation gern notwendige Tipps seiner eigenen Fußballerzeit mit auf den Weg - und lässt sich dabei von seinen eigenen Ansichten kaum abbringen. Mit 14 Jahren begann seine Laufbahn bei der Forchheimer Germania.
Schon mit 17 Jahren wurde der Seppa für die erste Mannschaft freigemacht und spielte Zeit seiner Karriere den früher üblichen "Stopper", gelegentlich aber auch auf der Liberoposition, wie der Abwehrchef in den 70er Jahren hieß. Damals war halb Forchheim eine reine Derbyklasse, sowohl der Jahn, der VfB, der FC Burk und die Germania spielten zusammen in der einstigen A-Klasse. Nachdem er 1968 seine spätere Ehefrau Gisela kennenlernte, eine Reutherin, wechselte Seppa zur SpVgg und blieb bis zum heutigen Tag ein Kuckuck.
Wann immer es geht, ist der Seppa bei den Spielen der Reuther dabei - es sei denn, Sohn Thomas braucht den Senior im Kellerwald auf dem Schlößla-Keller, den er seit einigen Jahren betreibt. Nahezu täglich mimt Seppa dort den guten Kellergeist und hilft handwerklich in Hausmeistermanier oder mit dem Traktor aus.
Herr Kestler, mit dem zweiten Sieg in Folge - dem sogar vierten binnen sieben Spielen - verließ Reuth erstmals seit Herbst die Abstiegsränge. Wie erklären Sie sich den Wandel?
Seppa Kestler: Wir hatten eine schwache Vorrunde und sind jetzt wieder am Zug. Ich glaube, die Mannschaft hat sich mit dem Josef Messingschlager nicht so verstanden, der Wechsel war notwendig. Der Joe ist ein prima Kerl, vielleicht zu gutmütig, aber wahrscheinlich hat er keinen Draht mehr zu den Jungs gefunden. Jetzt hat sich die Mannschaft durch den Trainerwechsel wieder stabilisiert, vor allem die Abwehr, denn die war das Sorgenkind zuletzt. Auf einmal lassen wir auch kaum mehr Chancen des Gegners zu und haben in den letzten sechs Spielen auch nur sechs Treffer kassiert. Mein Motto war schon immer: Mit der Abwehr gewinnt man Spiele.
Wenn man sieht, dass wir in den zwölf Spielen zuvor die restlichen 40 Gegentore kassierten, dann weiß man, was ich meine.
Das Hinspiel in Reuth ging mit 4:1 klar an die Gäste, die SpVgg hatte bis jetzt in der Fremde noch keinen Sieg errungen. Hatten Sie mit dem Erfolg am Walberla gerechnet?
Wie gesagt, wir haben uns insgesamt in allen Mannschaftsteilen endlich wieder stabilisiert, das Selbstvertrauen kam wieder zurück. Auch unsere Zuschauer haben ebenfalls die Lage erkannt und feuern die Jungs wieder an. Vorn sind wir immer für ein oder zwei Tore gut, das haben die Leute auch wieder verinnerlicht und warten auf die Chance. In Schlaifhausen hat erst die Heimelf das Spiel gemacht und wir haben versucht, nur dagegen zu halten. Als sie nachließen, haben wir die Chancen reingemacht und deshalb auch nach meiner Meinung verdient gewonnen.
Schlaifhausen hat eine gute und junge Truppe, aber eine solche haben wir auch. Und mit den erfahrenen Spielern haben wir den Unterschied ausgemacht.
Nach fast zwei Jahrzehnten in der A-Klasse kehrte Reuth 2013 in die Kreisklasse zurück und wehrt sich nun kräftig gegen den Abstieg. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Diese Kreisklasse ist kaum auszurechnen, seit Beginn der Rückrunde gewinnen häufig die Mannschaften der unteren Region - und die oberen lassen überraschend Federn. Aber wenn wir nur auf unsere eigenen Spiele schauen, müssen wir uns auch auf gar keine Rechenspiele einlassen. Die Mannschaft ist stark genug, um den Klassenerhalt aus eigener Kraft zu schaffen, weil sie jedem Gegner auch die Stirn bieten kann, wenn sie sich auf die Fußballertugenden besinnt: Kampf und Leidenschaft und erst wenn der Schiri abpfeift, ist das Spiel vorbei.
Die SpVgg spielt einen
Mix aus verschiedene Systemen. Teilweise mit Viererkette und zwei Sechsern, dann wieder Kette mit Einzeldeckung. Was halten Sie davon?
Ehrlich gesagt, nicht viel. Ich komme ja noch aus der Generation, in der wir mit klassischem System, also mit Libero spielten. Der konnte sich nach hinten absetzen und hatte davor seinen Stopper, der den Rest wegräumte. Das waren auch meine beiden Grundpositionen, meist war ich aber der Stopper. Wenn man sieht, dass die deutsche Nationalmannschaft und der FC Bayern lange sehr erfolgreich damit spielten, werde ich schon nachdenklich, wieso das Neue immer das Bessere sein soll. Franz Beckenbauer war auch nicht fehlerfrei als Libero und hatte Katsche Schwarzenbeck davor, der seine Patzer ausbügelte. Beide wurden Weltmeister und gewannen drei Mal den Landesmeister-Cup. Und ob das heute Sechser sind, ist auch egal, bei uns waren es halt die Läufer.
Sie begleiten die SpVgg zu vielen Auswärtsfahrten, zuhause sind Sie ohnehin fast immer dabei. Was machen Sie, wenn Reuth spielfrei hat oder die Saison vorbei ist?
Ich bin zwar bei den meisten Heimspielen und vielen in der Fremde dabei, aber längst nicht bei allen. Seit mein Sohn Thomas, der früher auch in Reuth und bei Jahn Forchheim gekickt hat, im Kellerwald den Schlößla-Keller übernahm, habe ich auch dort eine sinnvolle Beschäftigung gefunden. Ich kann ihm zwar nicht alles abnehmen, aber viele Gäste freuen sich schon deshalb, wenn ich und meine Gisi dort sind zur Unterhaltung. Gisi hilft zudem bei Vorbereitungen für den Küchenbetrieb.
Sie sind quasi der gute Kellergeist, der für die Gäste zuständig ist und führen das Vereinsleben fort?
Auf den Keller gehen nicht nur die Reuther Fußballer und viele Leute aus dem Verein sehr gerne. Nach den Sonntagsspielen und dem Training sind viele Bänke voll, weil man im Wald sehr gut abschalten kann. Thomas macht den Sportlern gute Brotzeiten, damit sie wieder zu Kräften kommen. Mittlerweile nutzen auch andere umliegende Mannschaften den Keller als Sportler-Treff. Es gibt nichts schöneres, als bei einem Bierchen unter Fußballern zu fachsimpeln, bei guter Waldluft und an einem schattigen Plätzchen.