Mit schwarzem Mantel und tief ins Gesicht gezogenem Hut, wirkte der Nachtwächter nicht nur zwielichtig, einige überschritten tatsächlich die Grenze des Legalen. Das Gehalt war schlecht, da ließ mancher sich fürs Wegsehen bestechen oder beteiligte sich am Verbrechen, erzählt Heiser und fügt hinzu: "Ein anderer unehrenhafter Beruf war der des Henkers."
Forchheim bestellte Henker ein
Für den Henker bedeutete unehrenhaft allerdings soziale Ächtung. Er durfte nicht in geweihter Erde begraben werden, musste außerhalb der Stadtmauern leben und sein Leben in sozialer Isolation führen. Selbst ein Gasthaus durfte er nur mit Erlaubnis des Wirtes betreten. Der Grund: Seine Berührung entehrte.
Zur Vollstreckung von Hinrichtungen wurde häufig der Bamberger Henker nach Forchheim einbestellt. Aus dem Tagebuch des Henkers Franntz Schmidt geht hervor: "Anfang des 1567ten Jahrs. Hannß Peybel, von Forchheimb, ein Mörder soll mit seinem Gesellen drey Mörd gethan, zue Forchheimb mit dem Schwert gericht, und uff das Rath gelegt".
"Da der Henker gut verdiente, leistete sich nicht jede Stadt einen eigenen", erklärt Christine Hartnagel von den Bamberger Gassenspielen. Das kleine Privattheater bietet Schauspiel-Stadtführungen durch die Bamberger Innenstadt an. Eines ihrer Stücke "Wie der Henker zu seinem Weib kam" erzählt die Geschichte des historischen Scharfrichters Franntz Schmidt - coronabedingt pausiert es aktuell. Um 1555 in Hof geboren, wurde Franntz zunächst Scharfrichter von Bamberg bis er 1578 nach Nürnberg wechselte.
Strafe zeigt das Verbrechen
"Die Hinrichtungsart zeigt, was er o'gestellt hat", heißt es in Hartnagels Stück. "Der Dieb kommt an den Galgen und der Mörder wird gerädert." Als "ehrenvoll" galt nur die Hinrichtung mit dem Schwert, denn bei der Enthauptung war kein Körperkontakt mit dem Henker notwendig. Für diese Hinrichtungsart mussten die Verurteilten allerdings viel Geld zahlen.
Für Frauen war das Schwert keine Option. Wurde zum Beispiel eine Kindsmörderin erwischt, "wurde sie mit Ratz und Katz in einen Sack gesteckt und von der Bamberger Rathausbrücke mitten nei'n Fluss ge'worfn", heißt es im Stück.
Zum Henker geboren
Doch nicht nur die Hinrichtung gehörte zu den Pflichten eines Henkers: "Seine wichtigste Aufgabe war die Erreichung des Geständnisses, wo nötig mit Folter, dann die Ausübung von Leibstrafen - wie Blenden oder Handabhacken. Aber auch die Betreuung des Hurenhauses, Kloakenreinigen und die Abdeckerei gehörten in manchen Städten zu seinem Arbeitsbereich", erklärt Hartnagel. "Wichtig ist dabei immer die zeitliche Einordnung. In Deutschland sind erste Henker schon aus der Zeit des Sachsenspiegel um 1220 bekannt, die letzten Henker gab es natürlich im dritten Reich. Über die Jahrhunderte hat sich viel verändert. Auch sind Details, wie zum Beispiel die Kleidung, der Wohnort und auch die soziale Stellung des Henkers von Stadt zu Stadt verschieden."
Das Amt des Henkers wurde meist an den Sohn vererbt, aber "manche bewarben sich selbst, wenn die Not groß genug ist, macht man auch einen solchen Job. Auch Adlige konnten einen Henker bestimmen - so geschehen beim Vater von Franntz Schmidt, der zuvor Handwerker in Hof war," erklärt Hartnagel.
Aus diesem Grund versuchte Franntz Zeit seines Lebens wieder zu Ehre zu gelangen. Und er schaffte es: Nachdem er in Nürnberg 171 Verbrecher aufgehängt und 178 mit dem Schwert gerichtet hatte, konnte er sich aus dem Henkersamt freikaufen und wurde Arzt.
Der Übergang beider Berufsfelder war fließend. "Wer bei einem peinlichen Verhör ein Gelenk ausrenken kann, weiß auch, wie es wieder rein geht", erklärt Schauspieler Martin Habermeyer in seiner Rolle als Franntz Schmidt.
So galt die soziale Ächtung des Henkers auch nur bei Tage, im Schutz der Dunkelheit suchten Kranke - gegen einen nicht geringen Obolus - die medizinischen Kenntnisse der Scharfrichter. "Das Fett eines Hingerichteten hilft gegen Rückenschmerzen", verspricht Habermeyer in seiner Rolle. "Sein Blut heilt Krankheiten, bringt Gesundheit und Glück und ein kleines Fingerglied im Beutel sorgt für Reichtum."
Die Gänsehaut bleibt
Sobald die ersten Gaslaternen Einzug in die Gassen hielten, wurde der Berufszweig des Nachtwächters überflüssig. In Erlangen ging 1869 der letzte seiner Art. Auch der Beruf des Scharfrichters ist in Deutschland - zum Glück - seit Jahrzehnten ausgestorben.
Heute sorgen diese Gestalten, die zwischen Gesetz und Verbrechen changierten, nur noch für den Gänsehaut-Faktor, während sie von der dunklen Vorgeschichte unserer Heimat erzählen.