Heidrun Fischer hat gelernt, wie Stressbewältigung durch Achtsamkeit funktioniert. Jetzt hilft die Kunreutherin Betroffenen mit dem Anti-Stress-Programm. Sie gibt Seminare und hält Kurse ab.
Aufpassen, um vorsichtig zu sein, das reicht nicht. Wenn Heidrun Fischer von Achtsamkeit spricht, dann meint sie eine weit reichende Art, aufmerksam zu sein. So weit, dass sich das Nervensystem ändert - und Teile des Hirns neu strukturieren. "Achtsamkeit ist keine besonders vorsichtige Lebensweise, sondern eine, die die Aufmerksamkeit auf die Gegenwart richtet. Und das, ohne zu werten", betont Heidrun Fischer.
Die 53-Jährige beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Frage, wie etwa durch bewusstes Hören die eigene Lebensqualität gesteigert werden kann. Dieses Wissen gibt sie in ihrer Praxis in Kunreuth weiter. Jetzt hat die Hör-Therapeutin ihr Arbeitsfeld erweitert.
Vor allem durch den Einfluss buddhistischer Lehren, ist "Achtsamkeit" im Westen ein Modebegriff geworden.
Doch seit die Hirnforschung dieses Phänomen näher untersucht; seitdem Hirnscans meditierender Mönche offenbaren, dass die Frontalhirne achtsam lebender Menschen tatsächlich besser funktionieren, versucht auch die Medizin, das Phänomen Achtsamkeit zu nutzen.
Stress als Ursache allen Übels Für diese Entwicklung steht vor allem der US-Amerikaner Jon Kabat-Zinn. Der gelernte Molekularbiologe hat die Meditation in Kliniken hoffähig gemacht. Seine Bücher wurden in Deutschland zu Bestsellern. Schon vor 20 Jahren habe sie Kabat-Zinn gelesen, erinnert sich Heidrun Fischer. Dessen Erkenntnisse mündeten in ein Ausbildungsprogramm, dem sich Heidrun Fischer in Freiburg angeschlossen hat. Zwei Jahre lang lernte sie, wie "Stressbewältigung durch Achtsamkeit" funktioniert - und wie man Achtsamkeit anderen beibringen kann.
Als die 53-Jährige ihren ersten Kurs in Erlangen anbot, kamen Studenten, aber auch Rentner. Menschen mit Rückenschmerzen, Tinnitus oder mit Schlafstörungen. Das Grundproblem sei immer Stress, sagt Heidrun Fischer. Ausgelöst werde er durch bestimmte Verhaltensmuster: "Das autonome Nervensystem reagiert auf Stress. Ich kann das autonome System nicht willentlich beeinflussen. Nur indirekt. Indem ich über das Frontal-Hirn lerne, besser wahrzunehmen."
Bewusst wahrnehmen Das ist also der Kern des Achtsamkeitstraining - eine veränderte Wahrnehmung des eigenen Lebens. Auch acht Wochen verteilt, üben die Schüler 30 Stunden lang gemeinsam mit der Lehrerin. Ansonsten zu Hause, mindestens eine Stunde täglich.
Wie esse ich? Wie kommuniziere ich? Welche Gedanken gehen mir durch den Kopf? Mit solchen Fragen werden die Lernenden konfrontiert.
Sie üben etwa, indem sie achtsam eine einzige Rosine essen - "so was kann 20 Minuten dauern", sagt Heidrun Fischer. Sie üben, indem sie reflektieren, wie ihre Wortwahl das Lebensgefühl beeinflusst. Und sie üben immer wieder, die Reaktionen des eigenen Körpers und der Atmung wahrzunehmen. "Achtsamkeit ist nichts anderes, als heraustreten und darauf gucken und sich trauen, zu benennen, was passiert", sagt Heidrun Fischer.
Selbstgefühl wächst Dass urteilsfreie Selbstwahrnehmung helfen kann, gelernte Verhaltensmuster aufzulösen, das sei mittlerweile "in über 3000 Studien belegt", weiß die Therapeutin aus Kunreuth. Bei ihr habe diese Schulung bewirkt, dass sie "nicht mehr so schnell" reagiere. Alte Muster seien nicht mehr überwältigend. "Vor allem beschimpfe ich mich nicht mehr dafür.
Das Selbst-Mitgefühl wächst."
Stress sei ja was ganz normales. "Er kommt daher, dass ich mich ständig neu anpassen muss", sagt Heidrun Fischer. Der Umgang mit dem Stress sei entscheidend: "Achtsamkeit führt zu einer anderen Denkweise und zu einer Haltung, die mehr Wahlfreiheit lässt."