Der Tod von Ignaz Bing, nach dem die Binghöhle in Streitberg benannt ist, jährt sich am 24. März zum 100. Mal. Er erschloss die Höhle für Besucher.
Jährlich besuchen die Höhle 30.000 bis 40.000 Menschen. Die Binghöhle liegt als einzige Höhle der Region im geschichteten Kalk, weil sie von einem Fluss erschaffen wurde und nicht wie üblich durch kohlensäurehaltiges Wasser, welches das Gestein auflöst und dadurch Hohlräume erzeugt. Zu verdanken ist das Erlebnis einer Führung durch die Flusshöhle einem Nürnberger Juden, dessen Tod sich am Samstag, 24. März, zum 100. Mal jährt: Ignaz Bing.
1840 als zweites Kind eines jüdischen Färbermeisters in Memmelsdorf in Unterfranken geboren, avancierte Bing im Laufe seines Lebens zu einem sehr erfolgreichen Fabrikanten für Metallwaren- und Spielzeug, den Bing-Werken, dessen Nachfolger es bis zur Weltspitze brachten. Erst im Zuge der Weltwirtschaftskrise ging das Unternehmen 1929 Bankrott.
Bing geriet trotzdem nicht in Vergessenheit, im Gegenteil: Jeder, der die Binghöhle besucht, nennt seinen Namen und besichtigt seine Ausgrabungen, was durchaus von ihm auch so gewollt war. In seinem Tagebuch hat er 1915 festgehalten: "Die von mir entdeckte und erschlossene Bing-Höhle bildet für den Franken-Jura das hervorragendste Naturwunder, zu dem alljährlich Tausende wandern, um sich daran zu erfreuen und zu erheben. Der Besitz der Höhle ist ein unveräußerlicher und in gewissem Sinne ein unvergänglicher. Er wird meinen Namen noch den fernen Geschlechtern überliefern."
Großindustrieller
Er hat nicht hat nur recht behalten, der Großindustrielle, er hat auch der Gemeinde
Streitberg geholfen, sich zu entwickeln. Denn er ließ sich dort nieder, als Besitzer der "Sommerfrische Villa Maria" um 1900.
Durch die Stiftung eines Dorfbrunnens im Jahre 1900 - er wird heute noch als Osterbrunnen jedes Jahr geschmückt - trug Bing zur Verbesserung der Wasserversorgung bei. Einige Jahr später schon half er der Gemeinde, ein eigenes Stromnetz aufzubauen. Ehrenfried Heller, der die Stromversorgung Streitberg untersuchte, kommt zu dem Entschluss, dass der Beginn der Elektrifizierung Streitbergs "wohl hauptsächlich durch den Kommerzienrat Bing" erfolgte, "der sich sehr um das Wohlergehen des Ortes (...) bemühte".
Zum Ehrenbürger ernannt
Aus heutiger Sicht könnte man sagen, Bing wollte auf dem Land den gleichen Standard genießen wie in seinem Haus in Nürnberg, stellte Toni Eckert in seiner Bing-Biografie fest. 1903 wird Bing zum Streitberger Ehrenbürger ernannt. 1904 revanchierte er sich mit einer Spende für die Errichtung des Prinz-Rupprecht-Pavillons. Wieder ein Jahr später trug er die Kosten bei der Erschließung der Binghöhle.
Durch ihn, mittlerweile mit dem Ehrentitel "geheimer Kommerzienrat" versehen, wurde der Besuch des Prinzen Ludwig 1908 in Streitberg ermöglicht und in der Folge der Besuch zahlreicher weiterer Gelehrter, die seit dem 18. Jahrhundert die "Höhlen im Muggendorfer Gebürg" in Massen besuchten und durch ihre wissenschaftlichen Arbeiten die Höhlenforschung begründeten.
Die Muggendorfer schauten bald genauer hin, als Bing in Streitberg einer Leidenschaft nachging und zu graben anfing. Der Nachbar Braungart machte ihn auf eine Felsnische aufmerksam, die als "Grotte im Petersholz" bekannt war. Bing ließ anfangen zu graben und wurde auch bald fündig: Fossile Knochen und prähistorische Scherben fesselten sein Interesse und öffneten seinen reich gefüllten Geldbeutel für weitere Forschungen.
Prähistorische Funde
Der Wiesenbote berichtete am 10. August 1905: "In der Waldung des Gutsbesitzers Braungart in Streitberg entdeckte Herr Kommerzienrat Bing von Nürnberg, welcher dort eine Villa besitzt und während seines Aufenthaltes häufig Grabungen nach prähistorischen Funden vornehmen lässt, vor einigen Tagen eine Höhle. Fast täglich werden Grabungen in derselben vorgenommen, und man hofft, dieselbe bald dem Besuche eröffnen zu können."
Eine Woche später berichtete die gleiche Zeitung erfreut, dass Bing nun "neue Abteilungen von großer Ausdehnung eröffnete, in welcher sich Tropfsteinbildungen von märchenhafter Schönheit" fanden. Bing witterte ein gutes Geschäft und kaufte die Höhle.
Höhlengänge freigelegt
Nach und nach legte er weitere Höhlengänge frei. Dabei fanden sich zahllose "verschiedenartig vorhandene Tropfsteingebilde wie Säulen, Pfeiler und Figuren", so der Wiesentbote im November 1905. Die Streitberger hofften zu Recht, "dass durch diese Entdeckung unser Ort um eine unschätzbare Sehenswürdigkeit reicher geworden ist".
Muggendorf überflügelt
Die Nachbargemeinde Muggendorf dagegen sah sich mit ihrer Rosenmüllerhöhle und den anderen Höhlen in ihrer touristischen Anziehungskraft plötzlich überflügelt und warb mit einer Serie von Anzeigen, die in ein- bis dreiwöchigem Abstand, insgesamt 16 Mal, während des Sommers 1906 im Wiesentboten erschien, für einen Besuch ihrer Höhlen.
1918 starb Bing. Das Erbe traten seine sechs Kinder an. Und so kam die Höhle in den Besitz der heutigen Gemeinde Wiesenttal, die unter anderem die beiden Gemeinden Muggendorf und Streitberg mit ihren bekannten Höhlen einschließt. Bing und die Streitberger hatten recht behalten: Waren es 1907 etwa 7000 Besucher, die in die Binghöhle kamen, so waren es in der Hoch-Zeit der 90er Jahre bis zu 50.000 Gäste, die die Flusshöhle alljährlich besuchten. Der Wiesentbote schreib über Bings Tod: "Mit ihm ist ein eifriger Förderer aller edlen und gemeinnützigen Bestrebungen und ein großer Wohltäter der Armen dahingegangen."